Moin, iek hete Ingeborg Remmers un iek lieuwje in’t Seelterlound. Hallo, ich heiße Ingeborg Remmers und lebe im Saterland. Das Saterland ist eine Gemeinde in Niedersachsen zwischen Cloppenburg und Emden und besteht aus vier Orten und mehreren Bauernschaften. Das Besondere ist die Sprache, die von leider nicht mal mehr 2.000 Menschen gesprochen wird: Saterfriesisch, meine Muttersprache. Mein Lieblingswort ist "uursainewainewai", es bedeutet "anderswohin" und ist sehr melodisch in der Aussprache. Für viele moderne Wörter haben wir keine eigenen Begriffe, aber das Smartphone heißt auf Saterfriesisch Händi, in unserer Sprache gibt es viele "ä".

Das Saterfriesische gehört zu den sechs anerkannten Minderheitensprachen in Deutschland und ist ein Rest des Altostfriesischen. Anderswo wurde das Friesische verdrängt, aber das Saterland war früher eine Sandinsel im Moor und hatte deshalb wenig Austausch mit dem Umland. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen viele Flüchtlinge, Plattdeutsch und vor allem Hochdeutsch setzten sich durch.

In meiner Familie wurde nur Saterfriesisch gesprochen, Deutsch kannte ich bis zur Grundschule nur aus Büchern. Damals wollte die Schulbehörde, dass in den Familien bloß kein Saterfriesisch mehr gesprochen wird. Meine Eltern haben sich zum Glück nicht daran gehalten. Leider habe ich heute nicht mehr so häufig Gelegenheit, die Sprache zu sprechen. Mit meiner Mutter, meiner Schwester, dem Postboten, ein paar Familien in unserer Straße. Man muss etwas dafür tun, die Sprache zu erhalten. Es gibt mittlerweile einen Saterfriesisch-Beauftragten in der Gemeinde. Die Ortsschilder sind zweisprachig, es gibt ein Wikipedia auf Saterfriesisch, außerdem einige Übersetzungen bekannter Romane, Die litje Prins, Die fljoogende Klassenruum.

Ich bin Grundschullehrerin und unterrichte die Sprache. Früher habe ich sogar den Matheunterricht auf Saterfriesisch abgehalten, jetzt gibt es für jeden Jahrgang noch eine AG. Diese Kinder haben ein Plus, sie lernen leichter andere Sprachen. Aber noch etwas anderes ist wichtig: Die Sprache an sich stiftet eine Menge Identität. Ohne sie fehlt etwas. Es ist ein Teil von einem, den man nicht verlieren will. Wenn ich jemanden treffe, der auch Saterfriesisch spricht, ist der mir sofort nah. Deshalb möchte ich meine Sprache an Kinder weitergeben. Sie sollen auch dieses Gefühl der Verbundenheit erfahren. Das bleibt bestehen, selbst wenn sie irgendwann nicht mehr im Saterland leben.

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