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Nachruf auf Bill Holman :
Abenteuerlich verzwickte Rhythmen

Von Wolfgang Sandner
Lesezeit: 2 Min.
Bill Holman (1927 bis 2024)
Als Jazz-Arrangeur zählte Bill Holman zu den Kreativsten seiner Zunft. Er schrieb bedeutende Filmmusiken und arbeitete nicht zuletzt auch mit deutschen Jazz-Orchestern. Nun ist er im Alter von 97 Jahren gestorben.

Duke Ellington ohne Billy Strayhorn? Woody Herman ohne Ralph Burns? Stan Kenton ohne Bill Russo? Große Arrangeure haben den Bigbands des Jazz seit den zwanziger Jahren Glanz verliehen, oft ohne selbst in dessen Widerschein zu glänzen. Es sei denn, sie waren alles in Personalunion: Komponist, Arrangeur, Solist und Leiter eines großen Ensembles, wie Quincy Jones, Bob Brookmeyer oder Charles Mingus.

Auch manche stilistische Entwicklung wäre ohne das Gespür für Gestaltung und Präsentation einer Komposition oder auch nur eines melodischen Fetzens, den ein Jazzgenie auf einen Bierdeckel gekritzelt mit ins Studio brachte, nicht möglich gewesen. George Russell hat die modale Spielweise vorangebracht, und Miles Davis wusste, dass er in seinem Capitol Orchestra nicht nur große Instrumentalisten, sondern gleich ein halbes Dutzend waghalsiger Arrangeure versammelt hatte – Gil Evans, Gerry Mulligan, Johnny Carisi, John Lewis, Gunther Schuller, Pete Rugolo –, um mit dem Album „Birth of the Cool“ Anfang der Fünfzigerjahre eine neue Richtung im Jazz einschlagen zu können.

Neue Konzepte des Künstlertums

Unter die Kreativsten seiner Zunft muss man auch Bill Holman zählen, der in mehr als siebzig Jahren seiner imposanten Karriere für alle großen Bigbands, vor allem aber für Stan Kenton und Woody Hermann arbeitete, den Westcoast-Jazz auch als Tenorsaxophonist mitprägte und in den Fünfziger- und Sechzigerjahren eine Bigband unter eigenem Namen führte, die zu den innovativsten der Zeit gehörte, mit großen Stars wie Mark Murphy oder Anita O’Day an der Bühnenrampe. Seine musikalische Visitenkarte hat Holman 1953 mit dem außerordentlich komplexen Album „New Concepts of Artistry in Rhythm“ für das Sten Kenton Orchestra abgegeben. Aber der Kalifornier Holman war nahe genug an der Klangwelt Hollywoods, um nicht mit progressiven Jazzkonzepten abzuheben, vielmehr immer auch die Popkultur mit im Ohr zu haben.

Er schrieb Arrangements für Judy Garland und The Fifth Dimension, für Natalie Cole und Tony Bennett, gehörte 1955 zum musikalische Team des Films „Blackboard Jungle“ („Saat der Gewalt“), mit dem der Rock’n’Roll immense Verbreitung bekam, und hatte großen kommerziellen Erfolg mit seiner Bigband-Version des Beatles-Songs „Norwegian Wood“ sowie mit unterschiedlichsten Arrangements für Peggy Lee, The Monkees, Burt Bacharach oder Bobby Darin. Aufmerksamkeit erregten auch seine zahlreichen Soundtracks für Filme wie „Three on a Couch“ (1966), „The Wrecking Crew“ („Rollkommando“, 1969) mit Dean Martin und Elke Sommer, oder „Sharky’s Machine“ (1981) mit Burt Reynolds als Schauspieler und Regisseur.

Bill Holman hat vielfach auch mit europäischen Jazz-Orchestern zusammengearbeitet, in England, Norwegen und Holland, vor allem aber auch in Deutschland mit den Bigbands von WDR, SWR, HR, RIAS, dem Bundesjazzorchester und der Klaus Weiss Bigband. Für einen Grammy, den er dreimal erhielt, wurde er als Arrangeur, Komponist und Ensemble-Chef dreizehnmal nominiert. Seine musikalischen Arbeiten (vor allem Partituren) wurden im Jahr 2000 als Bill Holman Collection in die Smithsonian Institution in Washington, D.C. aufgenommen. 2010 erhielt Holman den NEA Jazz Masters Award, die höchste amerikanische Auszeichnung für einen Jazzmusiker. Am 6. Mai ist Bill Holman kurz vor seinem 97. Geburtstag gestorben.