Der erste Spatenstich für die Volkswagen-Werke fand auf der „grünen Wiese“ statt. Bis zum weltumspannenden Konzern hat es die Volkswagen AG in Rekordzeit geschafft.
- Der Volkswagen sollte das Auto für jedermann sein
- Der Konzern aus Wolfsburg hält Anteile und Kooperationen weiterer bekannter Automarken
- Heute sind die Aktien zum größten Teil in den Händen der Familien Piech und Porsche
Wolfsburg - Wer den Volkswagenkonzern geografisch einordnen soll, dem fällt wahrscheinlich zuerst das niedersächsische Wolfsburg ein. Hier entwickelte sich aus einer Produktionsanlage eine komplette Stadt. Als einstige NS-Musterstadt blickt Wolfsburg auf eine kurze Stadtgeschichte zurück, denn erst 1938 wurde aus dem VW-Produktionswerk eine eigene Stadt. Adolf Hitler († 56, 1945) verfolgte damals den Plan, an diesem Ort Fahrzeuge zu produzieren, die für jeden Bürger erschwinglich seien.
Bereits im März 1934 hatte er auf der IAMA (internationale Automobil- und Motorradausstellung) die Forderung gestellt, dass entsprechende Pläne für ein günstiges Auto erstellt werden sollten. Die Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH wählte dafür die Gemarkung in der Nähe des Ortes Fallersleben und unweit des Schlosses Wolfsburg aus. Der Besitzer des Schlosses und der Ländereien, Günther Graf von der Schulenburg (93, 1985), verkaufte aus Angst vor einer Enteignung bei Bekanntwerden der Pläne einen Großteil seiner Ländereien. 1943 veräußerte er schlussendlich auch das Schloss an die Stadt Wolfsburg, die damals noch offiziell „Stadt des KdF-Wagens in der Nähe von Fallersleben“ hieß.
Am 26. Mai 1938 wurde offiziell der Grundstein für die Volkswagen-Werke gelegt und mit den ersten Bauarbeiten begonnen. Die Idee vom Auto für jedermann (damals Kraft-durch-Freude-Wagen) wurde mit dem Kriegsbeginn auf Eis gelegt, denn nun musste die Produktion für die Rüstung genutzt werden. Militärisch verwendet wurde durch die Wehrmacht vor allem der Kübelwagen. Hauptgeschäftsführer Ferdinand Porsche hatte auf Auslandsreisen unter anderem in den USA Ideen und Skizzen für eine moderne Produktionsstätte erstellt. Damit war es möglich, schnell und qualitativ hochwertig zu produzieren. Dennoch mussten 20.000 Zwangsarbeiter in den Werken unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Viele ließen dabei ihr Leben. In der gesamten Kriegszeit rollten nur 630 zivile Fahrzeuge für Funktionäre und hohe militärische Bedienstete vom Band.
Nachkriegszeit bei VW
In der Nachkriegszeit ging VW mit dem Käfer auf Erfolgskurs. Nachdem die Briten im Frühjahr des Jahres 1945 das Werk besetzen, sollte das Unternehmen eigentlich abgewickelt werden. Doch zur wirtschaftlichen Unterstützung des Landes wurde die Produktion des Käfers bewilligt. Bereits 1955 konnte der millionste Käfer gefeiert werden.
1953 wagte das Unternehmen den Sprung über den großen Teich und eröffnete sein Werk in Sao Paolo/Brasilien. 1958 steigt VW in das Geschäft der Nutzfahrzeuge ein und begann am Standort Hannover-Stöcken mit der Produktion des VW-Transporters. Der „Bulli“ wurde das Fahrzeug der Hippie-Bewegung. In den frühen 80er Jahren startete VW seine Joint Ventures mit Shanghai und legte damit den Grundstein für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit. Erst in den 2000er Jahren gelang der Markteintritt des Konzerns in Russland (2006, VW Group Rus) und die Gründung eines Werks in den USA (2008, Chattanooga). Das 1.000ste Werk konnte im Jahr 2013 in Mexiko eröffnet werden.
Heute ist die Volkswagen AG größter Automobilbauer der Welt. In der Autostadt Wolfsburg können Interessierte die Geschichte und Produktion mitverfolgen. General Motors und Toyota sind die größten Konkurrenten.
Geschäftsbereiche und Marken des Volkswagen-Konzerns
Volkswagen bedient längst nicht mehr nur das Segment der Klein- und Mittelklassewagen. Durch Ausweitung des Geschäftsbetriebs und geschickter Übernahme von Anteilen an anderen Marken ist VW in allen Fahrzeugsegmenten zu finden – seit der Übernahme von Ducati durch die Konzerntochter AUDI auch im Zweiradbereich.
Die Übernahmen im chronologischen Überblick:
- 1962 Übernahme der Auto Union, dem ehemals stärksten Autobauer Deutschlands
- 1965 kauft VW 50 Prozent der Anteile des Autobauers AUDI von Daimler-Benz ab; AUDI wird damit Tochter der Volkswagen AG
- 1979 beteiligt sich VW an der brasilianischen Chrysler-Tochter
- 1986 kommt SEAT zum Konzern dazu
- 1991 weitet VW mit der Übernahme von Skoda seine Produktion und seinen Markt nach Südosteuropa aus
- 1998 rollen Bentley und Bugatti unter das Dach der VW-Mutter, im gleichen Jahr übernimmt AUDI die Marke Lamborghini
- 2008 steigt VW mit Scania in die erste Liga der Nutzfahrzeughersteller auf
- 2011 erreicht VW mit der Übernahme von MAN nahezu eine Monopolstellung unter den Lastwagenbauern; das Nutzfahrzeuggeschäft fasst VW unter dem Dach der Volkswagen Truck und Bus zusammen, die später in Traton umbenannt wird
- 2012 gelingt die komplette Übernahme der Marke Porsche
Durch steten Umbau und Abstoßung unrentabler Zweige unterliegt der Konzern einem laufenden Wechsel in den Unternehmensanteilen. Durch Unterbeteiligungen hält VW Anteile an vielen weiteren Autobauern und Zulieferern.
Die Aktie im Wandel der Zeiten
1961 wurde das ehemals staatliche Unternehmen privatisiert und in eine Aktiengesellschaft überführt. Zum IPO der Volkswagen-Aktie konnte die Aktie zum Preis von 350 Mark erworben werden, der Kurs stieg aber bereits am Ausgabetag auf 720 Mark, da die Aktie mehrfach überzeichnet war. Jedoch sind nur 10 Prozent der Aktien auf dem Markt erhältlich.
Das Land Niedersachsen hält über das VW-Gesetz 20 Prozent der Anteile. Die verbleibenden 70 Prozent entfallen auf die Familien Piech und Porsche, die sich zwar aus dem Aufsichtsrat und Vorstand zurückgezogen haben, durch die Anteile aber immer noch ein erhebliches Mitspracherecht an der Konzernpolitik halten. Die Entwicklung der Aktie war in der Vergangenheit oft durch Ereignisse beeinflusst worden, die mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit nichts zu tun hatten oder zu Skandalen und Schadensersatzforderungen führten. Vorwürfe der Industriespionage, Korruption oder der VW-Abgasskandal führten immer wieder zu Kursstürzen.
Konzernchefs bei VW
Die einflussreichsten und bekanntesten Konzernchefs waren
- Anton Piech (57, 1952), der Schwiegersohn Ferdinand Porsches leitete das Werk in Wolfsburg von 1941-1944
- Ferdinand Piech (82, 2019) leitete die Geschicke des Konzerns von 1993 bis 2002 und war bis 2018 im Aufsichtsrat, er holte mit seinem Amtsantritt Jose Ignacio Lopez von General Motors zu VW
- 2002-2007 übernahm Bernd Pietschetsrieder das Ruder. In diese Zeit fiel die Korruptionsaffäre. Diversen Vorstandsmitgliedern wurde vorgeworfen, Funktionäre und ranghohe Politiker durch die Darbietung von Geld, Prostituierten und anderen Vorteilen beeinflusst zu haben.
- 2007 wurde Martin Winterkorn Chef des Konzerns. In diese Zeit fällt der VW-Abgasskandal. Er trat am 23. September 2015 zurück
- 2015-2018 führte Matthias Müller den Vorstand an
- Von 2018 bis 2022 war Herbert Diess VW-Vorstandsvorsitzender
- Seit September 2022 ist Oliver Blume Vorstandschef
Das VW-Gesetz: Streitpunkt mit der EU-Kommission
Im Zuge der Teilprivatisierung sicherte sich das Land Niedersachsen Mitspracherechte am Unternehmen durch das VW-Gesetz. Durch das Gesetz besitzt Niedersachsen eine Sperrminorität mit einem Anteil von 20 Prozent, obwohl dies laut Aktiengesetz erst bei einem Anteil von 25 Prozent möglich ist. Zudem stehen dem Land zwei Sitze im Aufsichtsrat zu. Zweimal klagte die EU-Kommission bereits gegen diese Regelung, da sie eine Wettbewerbsverzerrung darin sah. Die Richter des EuGH urteilten jedoch, dass keine ungerechtfertigte Bevorteilung des Landes vorläge.
Die Flagschiffe der Volkswagen AG
Der Käfer war das erste dauerhaft produzierte Modell von VW. Neben dem in der Kriegszeit produzierten Kübelwagen konnte sich das kleine Modell weltweit durchsetzen. Er wurde durch den New Beetle abgelöst. Neue Maßstäbe setzte der K 70 mit einem erweiterten Raumangebot und Frontantrieb. Klassiker sind ebenfalls die Bullis, die weder aus Handwerker-Fuhrparks noch aus der Surferszene wegzudenken sind. 1974 rollte der erste Golf vom Band, der inzwischen in der 8. Generation produziert wird. Er ist Namensgeber für die Kompaktklasse der Mittelklassefahrzeuge. Für die Kombi-Klasse steht der Passat, der über lange Zeit als Familienauto gehandelt wurde. Inzwischen wurde er durch Sharan und Touran nahezu vom Markt gedrängt. Mit dem Polo gelang VW die Übernahme des Kleinwagensegments. Mit dem Phaeton eroberte VW die Oberklasse.