Nouveau Front populaire

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Nouveau Front populaire
Neue Volksfront
Logo der Nouveau Front populaire
Vorsitzende der Mitgliedsparteien (Auswahl) François Ruffin
Olivier Faure
Manuel Bompard
Marine Tondelier
Fabien Roussel
Gründung 13. Juni 2024
Aus­richtung Demokratischer Sozialismus
Sozialdemokratie
Grüne Politik
Farbe(n) Rot, Grün, Gelb, Violett
Nationalversammlung 2024
180/577
Senat 2022
98/348
Website www.nouveaufrontpopulaire.fr

Der Nouveau Front populaire (NFP, auf Deutsch teilweise übersetzt als „Neue Volksfront“) ist ein linkes politisches Wahlbündnis in Frankreich. Es wurde im Juni 2024 kurz vor der vorgezogenen Parlamentswahl, bei der es nach dem zweiten Wahlgang am 7. Juli 2024 überraschend als Wahlsieger hervorging, gegründet. Mitglieder des NFP sind mit der Sozialistischen Partei, La France insoumise, Les Écologistes und der Französischen Kommunistischen Partei alle führenden linken Parteien inklusive derer kleineren Partnern.

Vor der Parlamentswahl im Juni 2022 schlossen linke politische Kräfte in Frankreich ein Wahlbündnis und nannten es Nouvelle union populaire écologique et sociale (NUPES). Jean-Luc Mélenchon hatte dieses Bündnis initiiert. NUPES erhielt 25,7 % der Stimmen (plus 0,2 Prozentpunkte), Ensemble erhielt 25,8 % (minus 6,5 Prozentpunkte) und RN 18,7 %. NUPES erhielt mehr als doppelt so viele Mandate wie 2017, als die Parteien getrennt antraten. NUPES versuchte erfolglos, in der Nationalversammlung in einer gemeinsamen Fraktion zusammenarbeiten.

Am Abend des 9. Juni 2024, dem Tag der Europawahl 2024, löste Staatspräsident Emmanuel Macron die Nationalversammlung auf und kündigte eine Neuwahl (erste Runde am 30. Juni und zweite Runde am 7. Juli 2024) an.[1] Die Frist zur Aufstellung der Kandidaturen in den Wahlkreisen lief nur wenige Tage; die Parteien waren dadurch gefordert, sich schnell auf Wahlbündnisse zu einigen.
Am 13. Juni 2024 gaben die oben genannten Parteien eine Einigung bekannt und gründeten das Wahlbündnis Nouveau Front populaire (deutsch Neue Volksfront). Der Name erinnert an die linksgerichteten Front-populaire-Regierungen in den 1930er Jahren.[2]

In allen 577 Wahlkreisen will man sich bereits im ersten Wahlgang auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, um im französischen Mehrheitswahlrecht (siehe Politisches System Frankreichs) möglichst viele Wahlkreise zu gewinnen. NFP stellte ein Programm mit Kernpunkten einer gemeinsamen Regierung vor: man wolle die von Macron durchgesetzte Rentenreform rückgängig machen, den Mindestlohn erhöhen und Preise für Grundnahrungsmittel deckeln. Die militärische Unterstützung der Ukraine soll fortgesetzt werden.[3][4] Anders als NUPES steht NFP nicht unter der Führung von La France insoumise (FI), sondern wird von den Beteiligten kollektiv geleitet. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Sozialistische Partei bei der Europawahl 13,8 % der Stimmen erhielt – deutlich mehr als FI (9,87 %), Ecologistes (5,47 %) und PCF (2,37 %).

Bei den Wahlen im Juli 2024 gewann die NFP 180 Sitze (31,2 % der Sitze, nach 28,1 % im ersten Wahlgang am 30. Juni) und wurde somit unerwartet die größte Fraktion im neuen Parlament. Das Wahlbündnis von Emmanuel Macron, Ensemble und seinen Verbündeten, kam mit 163 Sitzen auf den zweiten Platz. Der Rassemblement National und seine Verbündeten, die im ersten Wahlgang mit 33,1 % noch den größten Stimmanteil hatten, kamen mit 143 Sitzen nur auf den dritten Platz. Schließlich gewannen Les Républicains, die mit den verschiedenen Rechten verbunden sind, 66 Sitze in der neuen Nationalversammlung. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 67,1 % der Wähler ein Rekordniveau.[5]

Partei Abkürzung
Parti socialiste und Verbündete
Sozialistische Partei PS
Place publique PP
La France insoumise und Verbündete
La France insoumise LFI
Ensemble! E!
Picardie debout PD
Partei der Linken PG
Révolution écologique pour le vivant REV
Pour une écologie populaire et sociale PEPS
Gauche écosocialiste GES
Gauche démocratique et sociale GDS
Les Écologistes und Verbündete
Les Écologistes EELV
Génération.s Gs
Französische Kommunistische Partei und Verbündete
Französische Kommunistische Partei PCF
Gauche républicaine et socialiste GRS
L'Engagement L'E
Mouvement républicain et citoyen MRC
Les Radicaux de gauche LRDG
Sonstige
Allons enfants AE
Nouvelle Donne ND
Union démocratique bretonne UDB

Reaktionen in Frankreich

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Plakat der Neuen Volksfront

Am 11. Juni 2024 lehnte Kamel Chibli, Vizepräsident der Region Okzitanien, dieses Abkommen ab und brachte den Vorwurf auf, es sei wie das vorherige Bündnis NUPES und „politischer Unsinn“.[6] Am gleichen Tag kritisierten die ehemaligen Premierminister Manuel Valls und Bernard Cazeneuve, die bereits 2022 NUPES-Gegner waren, das Abkommen. Valls nannte es einen „politischen und moralischen Fehler“ und Cazeneuve nannte es einen Verrat „am Erbe von Blum“.[7][8][9][10] Léon Blums Urenkel Antoine Malamoud hielt dies für „ein sehr unvorsichtiges Wort von Bernard Cazeneuve“ und prangert eine Monopolisierung der Figur seines Urgroßvaters an, welche die historische Realität ignoriere.[11] In einem Interview mit BFM TV zwei Tage später erklärte er: „Die Front populaire von 1936 war hybrid. Ich meine, die Positionen der extremen Linken der Parti socialiste von Marceau Pivert [...] und der Parti radical de gauche waren genauso gegensätzlich, wenn nicht sogar noch widersprüchlicher, als die Positionen von Raphaël Glucksmann und von La France insoumise.“[12]

Am 12. Juni veröffentlichte der ehemalige Minister Pierre Joxe auf seinem Blog eine Erklärung, in der er „die heutigen linken Parteien unterstützte, die wiederum von zahlreichen großen und kleinen demokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen unterstützt werden, die es geschafft haben, ihren Weg zurück in die Unentbehrlichkeit zu finden.“[13]

Am 13. Juni erklärte François Hollande, ehemaliger Präsident der Republik, dass er das neue Bündnis der Linken Parteien unterstütze, auch wenn er seine Unterstützung dann stoppen würde, wenn Jean-Luc Mélenchon Premierminister werden sollte.[14] Diese Kundgebung gilt angesichts der Feindseligkeiten des ehemaligen Präsidenten gegen La France insoumise als überraschend. Er rechtfertigte seine Unterstützung mit dem Wunsch, einen Sieg der extremen Rechten zu vermeiden.[15][16]

Die französische Regierung

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Am 11. Juni 2024 verurteilte Premierminister Gabriel Attal bei einem Treffen mit den Abgeordneten der Präsidentengruppe das Bündnis der linken Parteien mit La France insoumise und zielte dabei insbesondere auf die Sozialistische Partei.[17]

Rechtsextreme Parteien

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Als Reaktion auf die Verfassung der Nouveau Front populaire erklärte der Sprecher des Rassemblement National, Julien Odoul, am 10. Juni 2024 im BFM TV: „Ich denke manchmal an den großen Léon Blum, der sich im Grab umdrehen muss.“ Sein Gesprächspartner, Benjamin Duhamel, wies auf die Ironie der Situation hin, indem er sagte, er sei „nicht sicher, [...] ob der große Léon Blum [...] sich freuen würde, von einem Abgeordneten des Rassemblement National zitiert zu werden [...] einer Partei, die teilweise von SS-Angehörigen gegründet wurde“.[18]

Commons: Nouveau Front Populaire – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Macron löst Parlament auf: Frankreich stehen Neuwahlen bevor. In: tagesschau.de. 10. Juni 2024, abgerufen am 11. Juni 2024.
  2. France's left-wing alliance put to the test by Jean-Luc Mélenchon. In: lemonde.fr. 15. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (englisch).
  3. Frankreich vor den Wahlen: Die Linke rauft sich gegen Le Pen zusammen. In: sueddeutsche.de. 14. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024.
  4. Parlamentswahl in Frankreich: Wie ein linkes Bündnis Le Pen verhindern will. In: zeit.de. 14. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024.
  5. Résultats des élections législatives 2024 en France - en direct. In: www.francetvinfo.fr. 8. Juli 2024, abgerufen am 8. Juli 2024 (französisch).
  6. Législatives 2024 : "Cet accord, c’est la Nupes 2, de la tambouille politique, on ne va pas se coucher devant LFI", s’indigne Kamel Chibli. Abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  7. Francois Hollande soutient le Nouveau Front Populaire, ses anciens premiers ministres opposés - Entrevue. 14. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  8. Manuel Valls : « Ce soi-disant front populaire est une faute politique et morale ». 11. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  9. Premiers ministres de Hollande : que sont-ils devenus ? 9. Juni 2022, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  10. Législatives 2024. Bernard Cazeneuve refuse le rassemblement de la gauche avec LFI. 6. November 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  11. L. OUANGARI: Front populaire. Léon Blum se retournerait-il vraiment dans sa tombe ? Son arrière-petit-fils répond. 12. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  12. Antoine Malamoud, arrière-petit-fils de Léon Blum: "L'attelage du Front populaire de 1936 était hybride". Abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  13. Pierre Joxe: Front populaire ! 12. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  14. Favorable au Nouveau Front populaire, Hollande va même plus loin. 13. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  15. Législatives 2024 : François Hollande, la dernière brique de l’union de la gauche. In: Le Monde.fr. 14. Juni 2024 (lemonde.fr [abgerufen am 15. Juni 2024]).
  16. "Nouveau Front populaire": François Hollande se dit "favorable" à l'alliance de gauche. Abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  17. Législatives : Gabriel Attal fustige l’accord « indigne » et « révoltant » de la gauche. 11. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).
  18. Duhamel (BFM) recadre sèchement Odoul (RN) sur Léon Blum - Entrevue. 11. Juni 2024, abgerufen am 15. Juni 2024 (französisch).