Azorian-Projekt

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Hughes Glomar Explorer

Das Azorian-Projekt (englisch: Project Azorian), fälschlicherweise auch Jennifer-Projekt genannt, war eine geheime Operation der US-amerikanischen CIA, bei der 1974 versucht wurde, das 1968 vor Hawaii gesunkene sowjetische U-Boot K-129 aus über 5.000 m Tiefe zu heben.[1]

Der Unfall und die Ortung der K-129

Im März 1968 kam es auf dem sowjetischen, mit ballistischen Raketen (SSB) ausgerüsteten U-Boot K-129 der Golf-Klasse zu einer Explosion, in deren Folge das Boot mit 98 Seeleuten an Bord sank. Vermutliche Ursache war eine Fehlfunktion einer der Raketen. Diese Erschütterung wurde von verschiedenen US-amerikanischen Frühwarnsystemen registriert, unter anderem vom „Sea Spider”- und SOSUS-System. Die United States Navy schickte mehrere Schiffe ins Unfallgebiet, um die Position des Wracks festzustellen. Das „Forschungs”-U-Boot USS Halibut (SSGN-587) (in Wirklichkeit gehörte sie zu einer U-Boot-Abteilung für verdeckte Operationen) entdeckte die K-129 schließlich in 16.500 Fuß Tiefe (ca. 5.000 Meter) ungefähr 2.890 km (1560 Seemeilen) nordwestlich von Hawaii[2] und in einer Entfernung von 2280 km (1230 Seemeilen) vom Petropawlowsk-Kamtschatski, dem Heimathafen des U-Bootes[3].

Während den US-Amerikanern die Position der K-129 also bekannt war, versuchten die sowjetischen Militärs noch, ihr verlorenes U-Boot zu finden. Bei K-129 handelt es sich um ein Boot der Golf-Klasse. Die Boote dieser Klasse wurden dieselelektrisch angetrieben und hauptsächlich zur militärischen Aufklärung und Spionage verwendet, trugen aber auch drei ballistische Raketen vom Typ SS-N-5. Von einer Bergung des Bootes erhoffte sich die CIA, an Geheiminformationen und die neueste U-Boot-Technologie der Sowjetunion sowie – vor dem Hintergrund der Verhandlungen zur Begrenzung der Zahl der strategischen Waffen in Ost und West (SALT) – Erkenntnisse zum Stand der sowjetischen Raketenentwicklung zu gelangen.

Die Vorbereitungen

Foto der Glomar Explorer

Für die Bergung ließ die CIA das Spezialschiff Hughes Glomar Explorer und eine Schwimmplattform mit der Bezeichnung HMB-1 (Hughes Mining Barge 1) entwickeln, auf der die geborgenen U-Boot-Teile untersucht und versteckt werden sollten. Das Schiff stellte vorgeblich ein experimentelles Tiefsee-Bergbauschiff dar und gehörte offiziell einer der Firmen des Milliardärs Howard Hughes, der damit ein Projekt namens DOMP (Deep Ocean Mining Project) betreiben wollte. Offiziell handelte es sich bei den bekannten Aktivitäten vor Hawaii um ein Versuchsprogramm, bei dem probeweise Manganknollen vom Meeresgrund abgebaut werden sollten. Der offizielle langfristige Plan von Hughes sah auch den Abbau weiterer Rohstoffe vom Meeresboden vor.

Die Glomar Explorer war mit einer massiven Winde mit Greifarmen ausgerüstet, mit der das U-Boot gehoben werden sollte. Insgesamt betrugen allein die Kosten des Baus der Glomar Explorer über 200 Millionen US-Dollar. Am 5. Juni 1974, kurz vor Beginn der eigentlichen Operation, wurde in ein Lagerhaus von Howard Hughes eingebrochen. Dabei wurden die streng geheimen Pläne des Projektes entwendet und offenbar der Sowjetunion zugespielt, sodass die Aktion später aufgedeckt werden konnte. Allerdings prognostizierten die sowjetischen Behörden der Aktion wegen der Tiefe, in welcher das U-Boot-Wrack lag, keinen Erfolg.

Der Bergungsversuch

Bergungsort

Am 20. Juni lief die Hughes Glomar Explorer von Long Beach (Kalifornien) aus und traf nach einer Reise von 5570 km (3008 Seemeilen) am 4. Juli 1974 am Ort des Untergangs ein. Der Beginn der Bergeoperation verzögerte sich aufgrund des durch den Taifun Gilda und den Tropensturm Harriet hervorgerufenen Seegangs bis zum 20. Juli. Ab dem 18. Juli wurde die Bergeoperation auch durch die sowjetische Marine beobachtet, zuerst durch die Chazhma, und ab dem 20. Juli bis zum 6. August durch den Schlepper SB-10. Am 26 Juli befand sich das Bergegerät mehr als 4200 m unter dem Meeresspiegel, und hatte den ersten Sonarkontakt mit dem Meeresboden. In den letzten Julitagen wurde der Sonarkontakt mit der U-Boothülle hergestellt, und am 1. August aus einer Tiefe von 5000 m (16440 Fuß) mit der Bergung begonnen. Am 3. August wurde zur Irreführung der Sowjets eine Falschmeldung gesendet, nach der die Sammeleinrichtung für Erze beschädigt worden, und ein Anlaufen der Midwayinseln zur Reparatur geplant sei. Kurz nachdem die SB-10 am 6. August die Bewachung eingestellt hatte, nahm die Glomar Explorer Balastwasser auf, flutete die Ladebucht und brachte das U-Boot ein. Nach dem Abpumpen des Balastwassers und des Laderaums kam es zu einer Kontamination durch Plutoniumhydroxid, welches aus einem oder mehreren der mit Atomsprengköpfen ausgestatteten Torpedos des U-Bootes austrat. Die Bergung wurde am 9. August abgeschlossen, und die Glomar Explorer lief entgegen des ursprünglichen Plans Hawaii an, wo sie am 16. August 1974 eintraf.[2]

Laut von der CIA inzwischen veröffentlichten Unterlagen über das Azorian-Projekt wurde nur der 11,6 Meter lange Bug der K-129 geborgen, der verschiedene Torpedos, eine kryptografische Ausstattung und die Leichen von acht Seeleuten enthielt. Es wird jedoch auch für möglich gehalten, dass, entgegen den Behauptungen der CIA, doch das komplette U-Boot gehoben werden konnte.[4]

Nach offiziellen Angaben wurden die geborgenen Leichen mit allen militärischen Ehren und nach russischer Seemannstradition auf See bestattet. Die Bestattung wurde gefilmt, der so entstandene Film wurde jedoch erst Anfang der 1990er Jahre nach Russland geschickt. 2003 wurden erstmals Ausschnitte im öffentlichen Fernsehen gezeigt.

Ende 1974 machte das U-Boot USS Seawolf (SSN-575) weitere Bilder vom Unglücksort. Auf den Fotos war zu sehen, dass die Überreste der K-129 weit verstreut am Meeresgrund lagen, eine Bergung war daher kaum mehr möglich.

Reaktionen und Folgen

Die Schwimmplattform wurde nach Abschluss dieser Operation zunächst an die US-amerikanische Umweltschutzbehörde vermietet; in den 1990er Jahren diente sie der US-Marine als Mutterschiff für experimentelle Tarn-U-Boote. Die Hughes Glomar Explorer führte Ende der 70er Jahre Probeförderungen für Mineralien auf dem Meeresboden durch und wurde 1980 außer Dienst gestellt. Nachdem sie so fast 20 Jahre vor sich hin rostete, wurde sie 1998 zum Bohrschiff umgebaut und führt Testbohrungen für Ölquellen im Golf von Mexiko für Howard Hughes' zahlreiche Firmen durch.

Der erste Zeitungsbericht über die wahren Hintergründe des Azorian-Projekts wurde 1975 durch die Los Angeles Times veröffentlicht. Dieser Bericht basierte auf den 1974 entwendeten Dokumenten. Wie später bekannt wurde, waren diese Hintergründe der New York Times schon Anfang 1974 bekannt. Eine Redaktionssitzung unterband jedoch die Veröffentlichung des Artikels noch vor Ende des Projekts, um einen internationalen Skandal zu vermeiden.

Einzelnachweise

  1. Matthew Aid, William Burr und Thomas Blanton: Project Azorian: The CIA's Declassified History of the Glomar Explorer. CIA, 12. Februar 2010, abgerufen am 14. Februar 2010.
  2. a b Project Azorian: The Story of the Hughes Glomar Explorer. Studies in Intelligence, CIA, , abgerufen am 14. Februar 2010.
  3. Inventory of accidents and losses at sea involving radioactive material, IAEA-TECDOC-1242, Appendix I.3. International Atomic Energy Agency, September 2001, abgerufen am 18. Februar 2010.
  4. CLOSING SESSION OF 16TH PLENUM OF THE U.S.-RUSSIA JOINT COMMISSION ON PRISONERS OF WAR/MISSING IN ACTION. Defense Prisoner of War/Missing Personnel Office, 11. November 1999, abgerufen am 28. Februar 2010.