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Fremdgehen mit ovalem Ball: Rugby-WM-Quali Deutschland vs Samoa 28:42 – 14.7.2018

Fremdsport

Sommerpause! Fußball (WM) läuft nur im Fernsehen, auf den Sportplätzen ist nix los. Eine gute Gelegenheit, einmal andere Ballspiele anzuschauen. Z.B. Rugby. Also ging es hinauf nach Heidelberg zum Qualifikationsspiel für die Rugby-WM 2019 zwischen Deutschland und Samoa. Das deutsche Team schlug sich als Außenseiter wacker und verlor nach einem offenen Spiel mit 28:42 gegen das favorisierte Profiteam aus der Südsee…

Rugby

Vor dreieinhalb Jahren sah ich in Schottland das erste Rugby-Match meines Lebens, Edinburgh Rugby vs Glasgow Warriors (Video des Spiels auf Youtube). Danach wurde offiziell beschlossen, dass Rugby ein toller und interessanter Sport und Edinburgh die Lieblingsmannschaft ist.

Das Spielgeschehen und die Regeln sind für Anfängerinnen und Anfänger ein wenig kompliziert. Dazu kommt, dass es Rugby in diversen Varianten, nämlich »Rugby League« mit 13 Spielern, »Rugby Union« mit 15 und in einer olympischen Spezialvariante mit 7 Spielern gibt. Das interessante »richtige« Rugby, das in den Profiligen und bei der Weltmeisterschaft (und beim jährlichen Six-Nations-Turnier, übrigens das Sportereignis mit dem höchsten Zuschauerschnitt Europas) gespielt wird, ist »Rugby Union« mit 15 Spielern.

Gemeinsam ist allen Varianten das Ziel des Spiels: Den Ball in das gegnerische Malfeld am Ende des Spielfelds abzulegen (wofür man 5 Punkte bekommt), was man einen »Versuch« (engl. »Try«) nennt. Schafft man es danach noch, zwischen die Torstangen zu kicken, gibt es 2 weitere Punkte. Und ein Kick zwischen die Stangen aus dem Spiel heraus oder als Straftritt zählt 3 Punkte.

Über die weiteren Regeln und die Rollen der Spieler auf dem Feld (im Rugby ist die Rückennummer des Spielers einer Position im Spiel zugeordnet) kann sich mit Hilfe des offiziellen Handbuchs für Anfänger oder des empfehlenswerten Buchs »Rugby Union for Dummies« informieren und bekommt damit einen gut lesbaren Einstieg in das Spiels.

In der Vor-DAZN-Zeit war es schwierig, Rugby auf dem Bildschirm sehen zu können. Das hat sich geändert, heute kann man viele Spiele aus der schottisch-irisch-walisisch-italienisch-südafrikanischen Liga PRO 14, der englischen Aviva Premiership und den europäischen Wettbewerben Champions Cup und Challenge Cup anschauen. Die DAZN-Kommentatoren sind ausgezeichnet und erklären bei den Spielen viele Feinheiten des Spielgeschehens, so dass man mit jedem angeschauten Spiel dazulernt…

Rugby wird vorwiegend in den aus dem Dunstkreis des britischen Empire entstandenen Ländern (und in Frankreich und Italien) professionell gespielt. Auf der Insel hat Rugby das Image des Sports der wohlhabenden »Eliten« (im Gegensatz zum »Proletensport« Fußball). Wenn man in Schottland zum Rugby ins Stadion geht, kann man sich mit einer Flasche Bier in der Hand an den Spielfeldrand stellen und sich das Match gemeinsam mit den Fans der gegnerischen Mannschaft anschauen. Was im Fußball undenkbar ist…

Deutschland gehört nicht zu den Rugby-Mächten, hierzulande ist Rugby ein Amateursport. Mit Ausnahme der Spieler, die in der »Wild-Rugby-Akademie« des Heidelberger Fruchtsaft-Getränk-Milliardärs Hans-Peter Wild (auf einigen Fotos sieht man den ikonischen Fruchtsaft-Beutel überdimensional über dem Stadion wehen…) angestellt sind (oder waren). Das Mit- und Gegeneinander von Rugby-Verband und Wild-Akademie bot seit Jahren Stoff für Konflikte, die kürzlich in einer amtlich verkündeten Trennung und der angekündigten Auflösung der Rugby-Akademie ihren Höhepunkt fanden…

Rugby World Cup 2019

Alle vier Jahre findet die Rugby-Weltmeisterschaft statt, nächstes Jahr ab 20. September 2019 in Japan. Die großen Nationen sind automatisch qualifiziert. Die restlichen Interessenten können sich über eine komplizierte Qualifikation, die einen ziemlich langen Wikipedia-Artikel füllt und deren Ergebnisse auch noch von diversen Skandalen um auffällige Schiedsrichterleistungen und nicht spielberechtigte Spieler durchgeschüttelt wurden, ihr Ticket lösen.

Das Endergebnis war, dass Deutschland überraschend als Zweiter der Europa-Quali (was für das deutsche Rugby schon ein großer Erfolg ist) gegen den Dritten des Ozeanien-Cups, Samoa, um das Japan-Ticket im Hin- und Rückspiel spielen durfte. Samoa, Südsee-Insel-Staat mit einer Bevölkerung im Umfang von zwei Dritteln Karlsruhe, klingt exotisch, ist aber im Rugby durchaus eine »Macht«. Samoa nahm bisher an allen Weltmeisterschaften teil und alle Nationalspieler spielen in den großen Profiligen.

Dementsprechend war das deutsche Team der große Außenseiter und kassierte im Hinspiel auf der anderen Seite des Globus eine derbe 66:15-Packung, womit das Quali-Duell im Grunde schon vor dem Rückspiel entschieden war…

Das war aber trotzdem noch nicht das Ende der deutschen Qualifikations-Hoffnungen, denn ab 11. November findet in Frankreich ein »Repechage« genanntes Turnier statt, in dem vier Mannschaften um den endgültig letzten WM-Platz spielen…

Deutschland vs Samoa 28:42

Trotz der deutlichen Hinspielniederlage war der Heidelberger »Fritz-Grunebaum-Sportpark«, das »Wohnzimmer des deutschen Rugby«, mit über 3.000 Fans sehr gut gefüllt. Denn eine Mannschaft der Klasse Samoas bekommt man auf einem deutschen Rugby-Spielfeld nicht alle Tage zu sehen, entsprechend erwartungsfroh war das Publikum. Und das deutsche Team konnte vor vollem Haus und Live-Übertragung in DAZN Werbung für die Randsportart Rugby machen und sich gegen einen starken Gegner für die »Repechage« einspielen…

Nach dem Absingen der Nationalhymnen führte die »Manu Samoa« (wie das Team von Samoa genannt wird) ihren Kriegstanz »Siva Tau« auf. Was das deutsche Team wohl so nachhaltig beeindruckte, das gleich die erste Aktion von Samoa in einem Versuch endete, nach nicht einmal 30 Sekunden…

Wer darob ein einseitiges Match befürchtete, wurde bald eines Besseren belehrt. Manu Samoa ließ es mit der Hinspielführung im Rücken ein wenig ruhiger angehen und die deutschen Spieler stürzten sich tapfer in die Tacklings gegen die körperlich überlegenen Gäste. Zwei deutsche Versuche hintereinander drehten das Spiel und zur Mitte der ersten Halbzeit führte plötzlich Deutschland!

Das Spiel blieb bis zur Pause offen und entwickelte sich zum offenen Schlagabtausch. Und wurde von der deutschen Seite mit hoher körperlicher Intensität geführt, was von Seiten Manu Samoas ab und an mit kleineren körperlichen Auseinandersetzungen quittiert wurde. Dank eines Straftritts in der 40. Minute ging das deutsche Team mit einer 15:14-Halbzeitführung in die Kabine. Dass Samoa, nach dem Versuch in der 1. Minute, in den verbleibenden 39 Minuten bis zur Pause nur noch einen einzigen weiteren legen würde, hatte wohl niemand erwartet…

Die zweite Halbzeit blieb zunächst offen, ab der 60. Minute ließen aber die deutschen Kräfte deutlich nach und Samoa wurde defensiv stärker. Was angesichts des körperlichen Spiels in der sommerlichen Wärme nicht verwunderlich war. Das DRV-Team tackelte nicht mehr Richtung Malfeld, sondern nahm jede Gelegenheit für einen Kick vom Feld zwischen die Stangen wahr. Was etwa bis zur 70. Minute gut funktionierte und mit einer 28:21-Führung belohnt wurde…

In den letzten zehn Minuten drehten die Jungs aus Samoa aber noch einmal auf, mit einer Niederlage wollten sie sich wohl doch nicht auf den langen Heimflug auf die andere Seite der Erdkugel machen. Die erschöpften Männer in Weiß hatten den Profis aus der Südsee nichts mehr entgegen zu setzen, 3 Versuche in 10 Minuten drehten das Spiel zum 28:42-Endstand.

Fazit: Ein unterhaltsames Spiel in einer guten Atmosphäre mit einer großen Leistung des deutschen Teams, der Ausflug hatte sich gelohnt. Dieses deutsche Rugby-Team verdient es, dass man ihm im November im »Repechage«-Turnier die Daumen drückt. Eine deutsche WM-Teilnahme wäre für das Rugby hierzulande eine tolle Sache, und es winkt eine WM-Gruppe mit Neuseeland. Und ein deutsches WM-Spiel gegen die berühmten »All Blacks« wäre doch eine famose Sache…

Vielleicht schaffen es auch die Funktionäre im Umfeld ihre Streitereien einzustellen. Bei Total Rugby spekuliert man ob der beim Spiel über dem Spielfeld schwebenden Safttüten schon, ob das große Zerwürfnis zwischen Verband und Saft-Milliardär vielleicht doch nicht so endgültig ist, wie es sich anhörte

Impressionen