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  4. Der US-Country-Star John Schmid singt Lieder in einer schrägen deutschen Mundart

Pop Country mal anders

„Hoscht du meh deitsche Lieder?“

Die Urahnen von John Schmid hießen Adam und Eva Schmid, kamen aus Württemberg und wanderten im 19. Jahrhundert in die USA aus Die Urahnen von John Schmid hießen Adam und Eva Schmid, kamen aus Württemberg und wanderten im 19. Jahrhundert in die USA aus
Hat Wurzeln in Württemberg: der Country-Sänger John Schmid
Quelle: Marion Hahnfeldt
John Schmid ist ein amerikanischer Country-Sänger. Er sieht sich in der Tradition von Johnny Cash. Und er singt Pennsylvania Dutch, eine Mundart, die ihren Ursprung im Pfälzischen hat.

Am Tag, als Johnny Cash starb, saß John Schmid in seinem Bus, er war auf dem Weg von North Carolina zu einem Konzert nach Maryland, und es war ein Uhr morgens, als er die Nachricht vom Tod des Country-Stars im Radio hörte. Zuerst erfasste ihn tiefe Trauer, dann fühlte er große Dankbarkeit.

Für dessen Leben. Für sein Leben. Am Tag darauf, beim Konzert in Grantsville, es war der 12. September 2003, sang Schmid eine halbstündige Hommage für den Mann in Schwarz.

Ohne Cash kein Schmid

Für Schmid war Cash ein Seelenverwandter. Durch ihn fand er den Mut zum Singen. Von ihm lernte er, Lieder zu schreiben. Durch ihn fand er zum Glauben. Ohne Cash wäre John Schmid ein anderer geworden. Er verdankt ihm, wenn man so will, sein Leben.

John Schmid, 69 Jahre alt, sitzt in seinem Haus in Ohio, vor ihm steht eine Tasse Kaffee. Er lümmelt sich an den Küchentisch, er sieht aus, wie man sich einen Country-Sänger in den Tiefen der USA vorstellt.

These Boots are made for walking: John Schmid ist 200 Tage im Jahr mindestens unterwegs zum Singen
These Boots are made for walking: John Schmid ist 200 Tage im Jahr mindestens unterwegs zum Singen
Quelle: Marion Hahnfeldt

Mit Jeans, kariertem Hemd, seine Füße stecken in braunen Boots. Im Gesicht trägt er ein sympathisch-schiefes Lächeln, es ist das Lächeln von jemandem, der mit sich im Reinen ist. Den Abend zuvor hatte er für Bekannte auf einer Familienfeier gesungen, es war spät geworden. Es war ein guter Abend.

Mit seiner Frau Lydia lebt John Schmid in Holmes County. Es ist die Gegend, in der die Orte Walnut Creek, Sugar Creek und – Zufälle gibt’s – Nashville heißen.

Die Farmen liegen dort verstreut an flaschengrünen Hügeln, sanft schmiegen sich die Kurven ins Land. Alles liegt so friedlich da, als könnte auf der Welt nie etwas Böses geschehen.

Unter 50.000 Amish

Holmes County ist neben Lancaster County in Pennsylvania die Region mit der weltweit größten Amish-Population. 50.000 Amish leben dort. Die Strenggläubigen, die alle technischen Errungenschaften der Neuzeit scheuen, die ohne elektrisches Licht und Wasseranschluss in ihren Häusern leben. Und die Gemäßigten, die zumindest Petroleum- und gasbetriebene Kühlschränke erlauben. Und mittendrin nun John Schmid mit seiner Frau und seinen Liedern.

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Er ist in der Gegend geboren, er ist hier aufgewachsen, und von den Amish lernte er Pennsylvania Dutch, jene Mundart also, die ihren Ursprung in Deutschland hat, John spricht es heute fließend.

Ihn zu treffen grenzt an ein organisatorisches Wunder. 200 Konzerte pro Saison sind keine Seltenheit, viele kleine sind darunter, manche große; es verschlägt ihn dafür quer über den Kontinent. Neulich erst ist er durch Lateinamerika getourt und hat in Guatemala und Mexiko Station gemacht.

Wenige Tage später saß er schon wieder im Studio und nahm „¡CORRE“ auf, die spanische Version eines Liedes des amerikanischen Songwriters Steve Chapman. In guten Wochen ist er zwei Tage am Stück zu Hause, in schlechten sitzt Lydia allein im hübschen Haus im viktorianischen Stil.

Sie streicht dann den Kamin. John postet später stolz die Bilder. Schmid ist eine Art Handelsreisender, seine Ware ist die Musik. Und die Musik ist sein Leben.

Man muss ihn nur einmal zu einem seiner Auftritte begleiten. Dann steht er dort oben auf der Bühne, seine warme tiefe Stimme legt sich wie eine Decke über das Auditorium, und es braucht nur wenige Augenblicke, dann hat er die Menschen gefangen.

Mit der Ballade von der „Teenage Queen“ ging’s los

Er erzählt ihnen von der Liebe, er redet von Partnerschaft und dem Traum von einem besseren Leben im Glauben. Er wirkt locker, er wirkt, als habe er im Leben nie etwas anderes getan.

Er war zehn Jahre alt, als er das erste Mal die Ballade „Teenage Queen“ von Johnny Cash hört. Es geht darin um ein junges Mädchen, das mit seiner Schönheit die Jungen in der Stadt betört, „but she loved the boy next door, who worked at the candy store“.

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John beeindruckte diese kleine große sentimentale Story so sehr, dass er sie bis heute nicht vergessen hat. Er selbst sei damals noch kein guter Sänger gewesen, sagt er. Die Lieder in der Schule waren entweder zu hoch oder zu tief für ihn, und bis er schließlich seine eigene Stimme fand, vergingen Jahrzehnte.

Dazwischen arbeitete er als Klempner, er baute Scheunen, er gründete eine Familie, drei Kinder zog er groß, und als er nach sieben Jahren als Missionar in Costa Rica in die USA zurückkehrte, änderte er nach einer beruflichen Krise sein Leben.

Er entdeckte die Bühne für sich, er begann wie sein Vorbild Cash in Gefängnissen für die Insassen zu singen.

John grinst. Sein Kaffee ist inzwischen kalt. Draußen treiben Schäfchenwolken übers Land. Es ist einer dieser Tage, an dem die Farben so klar sind, als hätte sie jemand frisch mit dem Pinsel aufgetragen.

Seine Autobiografie ist eine Bestseller

Vor wenigen Wochen erst erschien sein Buch „Encounters“. Er erzählt über die Zeit in den Gefängnissen, er schreibt über die, die durchs Leben irrlichtern, er hört sich in sie hinein. Er stand damit auf der Bestseller-Liste.

Viele seiner Lieder sind Country-Songs in alter Cash-Tradition. Seine Lieder heißen „The Outlaw“, „Desperado“ oder „I Love You Lord“. Immer wieder geht es um Freiheiten und Zwänge, um die große Liebe und die kleinen Fluchten, und es sind Geschichten wie diese, in denen sich die Menschen wiederfinden.

Sein bisher erfolgreichstes Album aber heißt „In Dutch“, eine Sammlung von pennsylvanisch-deutschen Liedern. Viele dieser Songs sind sehr alt, von Generation zu Generation überliefert.

Fragt man ihn, warum er anfing, ausgerechnet Dialekt zu singen, erzählt er von dem Moment, als er auf der Bühne mehr aus einer Laune heraus das Volkslied „Meedli, witt du heire?“ sang.

Nach dem Konzert kamen die Menschen zu ihm und fragten: „Hoscht du meh deitsche Lieder?“ Und so kam eins zum anderen. Noch mehr Lieder. Eine CD. Noch mehr CDs.

John lehnt sich zurück, vor sich hat er ein Buch aufgeschlagen, das eine Spur dorthin legt, wo alles begann. Wenn ihm nämlich neben der Musik und seiner Familie etwas wichtig ist, dann seine eigene Geschichte. Und dass sie ihren Ursprung tatsächlich bei Adam und Eva hat, ist das Wunderbare daran.

In diesem Buch nun kann man es genau nachlesen. Adam Schmid, 1829 in Königsbach bei Karlsruhe geboren. Ausgewandert mit dessen späterer Frau Eva Maria Streng, geboren 1824 in Württemberg (Württemberg).

Gemeinsam begründeten die beiden die neue Schmid-Generation in Amerika. Wissen, woher man kommt, wissen, was die Geschichte mit einem macht, das sind so die Dinge, die John Schmid umtreiben.

Immer wieder zieht es ihn deswegen auch nach Deutschland. Dann tourt er durchs Land, er singt seine Lieder, und es war auf einer Reise wie dieser, als er eines Tages tatsächlich in Königsbach in Baden-Württemberg stand.

Und noch heute erinnert er sich an das Gefühl am Grab seines Ur-Ur-Großvater, er spürte: „I am somebody. I came from somethere. I belong.“

Es muss ein eigenartiges Erlebnis gewesen sein. Er erlebte sein eigenes Wunder.

„Home“ heißt sein aktuelles Album. Er sagt: „Natürlich ist es nicht das Wichtigste, zu wissen, wer du bist und woher du kommst. Das Wichtigste ist, zu wissen, wohin du gehst und zu wem du gehörst.“

Er lächelt. Er sieht jetzt aus wie Johnny Cash.

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