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Hamburg

Passagiere retten Frachtsegler „Undine“

Wegen teurer Reparaturen stand Kapitän und Reeder Torben Hass vor dem Ruin

Uniformjacke und weiße Mütze hat er heute gegen einen Anzug getauscht. Torben Hass ist diesmal eben nicht mit seinem Frachtsegler „Undine“ auf der Nordsee unterwegs, sondern er hatte einen Termin beim Notar. Es ging um die Zukunft seines Schiffs, das einige Wochen nun schon an der Pier vom Museumshafen Öevelgönne liegt. „Es geht jetzt weiter und wir werden sogar noch größer“, sagt er optimistisch und wirkt doch ein wenig abgekämpft. Erst allmählich, je mehr er von den Zukunftsplänen hier in der Hamburger Kneipe erzählt, entspannen sich die asketischen Züge.

Nach dem furiosen Start seiner Segel-Frachterlinie „SyltHamburg“ vor zwei Jahren musste Hass, um im maritimem Bild zu bleiben, in den vergangenen Monaten eben immer wieder Untiefen umschiffen, um weiter machen zu können. Im April aber will er nach der Winterpause mit dem fast 90 Jahre alten Gaffelschoner wieder ablegen für seinen ungewöhnliche Linien- und Passagierdienst. Und Hass kauft mit einem Partner ein zweites Schiff dazu, wie er erzählt. Ein kleines, 100 Jahre altes Küstenmotorschiff, das im nordfriesischen Wattenmeer als Inselversorger durch die Rinnen und über die Watten dampft. „Nordfriesische Schifffahrtsgesellschaft“ wird das Unternehmen heißen, sagt Hass, der auch bei dem alten Kümo die Idee von der Renaissance der segelnden Frachtschifffahrt aufnehmen will. Das Schiff hat noch einen alten Segelschiffsrumpf und Hass will es mit modernen Mast und Segeln ergänzen. „Wir wollen zeigen, dass sich Segel rechnen als Antrieb.“

Und das war auch die Grund-Idee, mit der er Anfang 2013 gestartet war: In Hamburg hatte er die 1931 gebaute „Undine“ von einem Verein übernommen, der damit Touren für schwererziehbare Jugendliche unternommen hatte. Das Schiff war und ist das einzige in Deutschland offiziell im Schiffsregister eingetragene Frachtschiff, das als Hauptantrieb Segel nutzt. Der uralte 120-Ps starke Diesel wird nur bei Hafenmanövern oder Flauten eingesetzt.

Hass, heute 40 Jahre alt, war lange Segeloffizier auf der „Gorch Fock“, später Tanker-Kapitän. Mit der „Undine“ gründete er die Hamburg-Sylt Linie. Zum gleichen oder sogar zu einem günstigeren Preis als die auf teure Fähren angewiesenen Lkw transportiert die „Undine“ zwischen Insel und Hansestadt Fracht: Zement, Rum, Strandkörbe, Gartenmöbel oder auch schon einmal für eine Touristenwerbeaktion eine komplette Gondel aus den Alpen. Und Hass nimmt bis zu acht Passagiere mit, die auf dem alten Segler ursprüngliche Seefahrt im Wattenmeer erfahren wollen. Mehr Blockhütte als Luxusliner erwartet die Mitsegler, man kocht gemeinsam, in kalten Nächten bollert ein Holzofen. Anfangs riet ihm sein Bankberater daher dringend davor ab. „Herr Hass, wer fährt dann da mit, nach Sylt?“

Doch nach den ersten Zeitungsberichten über seine neue Sylt-Linie explodierte sein Mailfach förmlich, tausende Anfragen erreichten ihn, er war über Nacht ausgebucht. Frachtkunden fragten weit stärker nach Laderaum, als Hass zunächst kalkuliert hatte.

Der ungewöhnliche Segelfrachter und sein von Windkraft beseelter Kapitän erzeugten viel Aufmerksamkeit, selbst britische Sender berichten über Hass, der beweisen will, dass sich die segelnde Schifffahrt in Nischen noch lohnen kann. Doch im Herbst 2013 bekam sein Projekt einen heftigen Dämpfer. Nach einem Sturm war eine Fahrwassertonne in der Nordsee verdriftet und Hass touchierte das schwere Eisenteil mit dem Rumpf. „Die Tonne war nicht zu sehen, trieb unter Wasser“, sagt er. Erst bei der Rückfahrt von Hamburg bemerkte die Crew dann aber ungewöhnlich viel Wasser in der Bilge, offensichtlich hatte sich durch den Aufprall doch ein feiner Risse gebildet und sich dann tückisch-langsam vergrößert. Hass entschied sich, Cuxhaven als Nothafen anzulaufen, um die „Undine“ im Werftdock untersuchen zu lassen. Die Saison war sowieso so gut wie zu Ende und das Schiff benötigte wieder eine neue Klasse, wie der Schiffs-TÜV in der Branche bezeichnet wird.

Beim Werftaufenhalt stellte man aber zusätzliche Schäden fest, sagt Hass. Es kam zum Streit mit den Vorbesitzern, Hass geriet in finanzielle Schwierigkeiten, weitere Raten zu bezahlen, und die „Undine“ wurde an die Kette gelegt, wie es in der heißt, wenn ein Reeder zahlungsunfähig zu werden droht. Das Projekt schien vor dem Aus zu sein, bevor es überhaupt sichtig durchgestartet war. „Doch dann passierte etwas, damit hätte ich nie gerechnet“, sagt Hass, zieht sich seinen Schlips herunter und bestellt noch ein alkoholfreies Bier, um dann weiter zu berichten. Seine Frachtkunden sprangen nicht ab, sondern unterschrieben in dieser Zeit sogar neue Verträge. Und über seine Newsletter informierte Hass ehemalige Passagiere, viele davon Wiederholungstäter, wie er sagt. Etliche zeichneten dann Beteiligungen, eine Art Crowdfunding für die „Undine“ setzte ein; mancher gab 500 Euro, andere kauften sich auch größere Beteiligungen an dem einzigen deutschen Frachter unter Segel. Etwa 50 Mitgesellschafter habe er er jetzt. „Wahnsinn war das“, sagt Hass und blickt noch immer erstaunt. Auf einem Schlag habe er seine Schulden bezahlen können.

Doch aus dem schwierigen Fahrwasser war die Undine damit noch nicht heraus. Denn plötzlich hieß es von der Berufsgenossenschaft, dass er den langen, etwa 17-stündigen „Schlag“ zwischen Sylt und Hamburg nicht mehr mit seiner kleinen, vierköpfigen Crew allein fahren dürfe. „Entweder wir hätten eine zehnstündige Ankerpause einlegen müssen oder ich hätte die doppelte Crew zahlen müssen.“ Das wäre für ihn nicht mehr bezahlbar gewesen.

Doch nach langer Diskussion mit den Behörden konnte er diese Gefahr abwenden und von seinem Zweiwachen-System mit kleiner Mannschaft überzeugen.

2015 soll die alte Linie daher wie bisher weiter betrieben und mit dem neuen Schiff erweitert werden. „Wir werden in Nordfriesland auch andere Inseln und die Halligen anfahren“, sagt Hass. Vor allem, weil der Güterzug nach Sylt vor dem Aus steht, erhoffe er sich neue Ladung. Und auch das Mitsegeln will der Segelkapitän erweitern. „Ich plane eine Art Segelakademie“, sagt er. Viele der Passagiere seien eben selbst begeisterte Hobbysegler, könnten aber aus rechtlichen Gründen nicht direkt mit in die Mannschaft integriert werden, weil sie eben meist keine ausgebildeten Seeleute sind. Diese Lücke will er nun mit seiner Segelakademie schließen. „Wir machen aus Passagieren Seeleute für Frachtsegler“ , sagt er und glaubt fest auch an einen Erfolg dieser Idee. Seinen Bankberater hat er diesmal gar nicht erst gefragt.

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