„Bulgarien“ – Versionsunterschied
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|STAATS- UND REGIERUNGSFORM = [[Parlamentarisches Regierungssystem|parlamentarische]] [[Republik]]
|STAATSOBERHAUPT = [[Präsident der Republik Bulgarien|Präsident]]<br />[[Rumen Radew]]
|REGIERUNGSCHEF = [[Liste der Ministerpräsidenten Bulgariens|Ministerpräsident]]<br />[[
|PARLAMENT = [[Nationalversammlung (Bulgarien)|Nationalversammlung]]
|FLÄCHE = 110.994
|EINWOHNER = {{formatnum:{{Metadaten Einwohnerzahl BG|GESAMT}}}}<br /><small>({{FormatDate|{{Metadaten Einwohnerzahl BG||STAND}}}})</small><ref>{{Metadaten Einwohnerzahl BG||QUELLE}}</ref>
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|WÄHRUNG = [[Lew (Währung)|Lew]] (BGN)
|UNABHÄNGIGKEIT = 3. März 1878 (Erklärung)<br /> 22. September 1908 (vom [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] anerkannt)
|NATIONALHYMNE = ''[[Nationalhymne Bulgariens|Mila rodino]]'' ({{bgS|Мила родино|de=Liebe Heimat}})<br />[[Datei:Mila Rodino instrumental.ogg
|NATIONALFEIERTAG = 3. März▼
|ZEITZONE = [[UTC+2]] [[Osteuropäische Zeit|OEZ]]<br />[[UTC+3]] [[Sommerzeit#Osteuropäische Sommerzeit|OESZ]] (März bis Oktober)
|KFZ-KENNZEICHEN = [[Kfz-Kennzeichen (Bulgarien)|BG]]
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|BILD-LAGE-IMAGEMAP = Europa1
|BILD1 =
▲|NATIONALFEIERTAG = 3. März
}}
{{Positionskarte+ |Bulgarien |width=325 |float=right |maptype=relief |caption= |places=
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Auf dem Gebiet des heutigen Bulgariens befinden sich die [[Batscho-Kiro-Höhle|bislang frühesten Belege]] für die Anwesenheit des [[Mensch]]en (''Homo sapiens'') in [[Europa]] und mit der [[Jungsteinzeit|neolithischen]] [[Karanowo-Kulturen|Karanowo-Kultur]], die bis ins Jahr 6500 v. Chr. zurückreicht, eine der frühesten Siedlungen des Kontinents. Im 6. bis 3. Jahrhundert v. Chr. geriet die Region ins Spannungsfeld der [[Thraker]], [[Perserreich|Perser]], [[Kelten]] und [[Schwarzes Meer#Antike Handelsbeziehungen|Griechen]]. Stabilität kam, als es dem [[Römisches Reich|Römischen Reich]] im Jahr 45 n. Chr. gelang, die Region zu erobern. Mit dem Niedergang und der Aufteilung des Reiches begannen in der Region erneut Invasionen unterschiedlicher Gruppen. Im 4. Jahrhundert wanderten die [[Goten]] ein und erschufen hier die [[Wulfilabibel|einzige Schriftquelle]] ihrer Sprache. Um das 6. Jahrhundert wurden die Gebiete von den frühen [[Slawen]] besiedelt. Die [[Protobulgaren|Ur-Bulgaren]], angeführt von den Brüdern [[Asparuch]] und [[Kuwer]], verließen das Gebiet des (alten) [[Großbulgarisches Reich|(Groß-)Bulgariens]] und siedelten sich im späten 7. Jahrhundert dauerhaft auf der Balkanhalbinsel an. Sie gründeten zwei Reiche mit dem Namen ''Bulgarien'', eines zwischen [[Donau]] und [[Balkangebirge]] und eines im Gebiet um das heutige [[Bitola]] im Westen der Halbinsel. Das Donaureich, das 681 vom [[Byzantinisches Reich|Oströmischen Reich]] vertraglich anerkannt wurde, vereinigte sich im Laufe der Zeit mit dem Reich von Kuwer. Dieses ''Erste Bulgarische Reich'' beherrschte den größten Teil der südlichen Balkanhalbinsel und beeinflusste die slawischen Kulturen maßgeblich durch die Entwicklung der [[Altkyrillisches Alphabet|kyrillischen Schrift]] am Hofe der bulgarischen [[Zar#Bulgarien|Zaren]] und die Gründung des [[Bulgarisch-Orthodoxe Kirche|Bulgarischen Patriarchats]]. Die altbulgarische Literatur und das bulgarische Schrifttum bildeten das drittgrößte kulturelle und religiöse Gebiet im mittelalterlichen Europa. Das Reich existierte bis Anfang des 11. Jahrhunderts, als der byzantinische Kaiser [[Basileios II.|Basilius II.]] es eroberte und unterwarf. Ein erfolgreicher bulgarischer Aufstand im Jahr 1185 begründete ein ''Zweites Bulgarisches Reich'', das unter [[Iwan Assen II.|Iwan Asen II.]] (1218–1241) seinen Höhepunkt erreichte. Nach zahlreichen erschöpfenden Kriegen und Feudalkämpfen löste sich das Reich 1396 auf und die Region geriet fast fünf Jahrhunderte lang unter [[Osmanisches Reich|osmanische Herrschaft]].
Das heutige Bulgarien entstand 1878 im Zuge des [[Russisch-Osmanischer Krieg (1877–1878)|Russisch-Osmanischen Krieges (1877–1878)]] und des Zerfalls des Osmanischen Reiches zunächst als [[Fürstentum Bulgarien|autonomes Fürstentum]] und nach der Ausrufung der Unabhängigkeit (1908) als [[Königreich Bulgarien|Zarentum Bulgarien]]. Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde Bulgarien 1944 von den [[Sowjetunion|Sowjets]] besetzt, die [[Liste der Herrscher von Bulgarien|Monarchie]] abgeschafft und eine [[Volksrepublik Bulgarien|realsozialistische Volksrepublik]] ausgerufen, die mit dem [[Eiserner Vorhang#Öffnung des Eisernen Vorhangs|Zerfall des Realsozialismus]] 1991 aufgelöst wurde.
Heute ist Bulgarien eine [[parlamentarische Republik]], die aus 28 Provinzen mit einem hohen Grad an politischer, administrativer und wirtschaftlicher Zentralisierung besteht. Mit einer [[Wirtschaft Bulgariens|Wirtschaft im oberen mittleren Einkommensbereich]], zählt das [[Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen]] Bulgarien zu den Ländern mit hoher menschlicher Entwicklung.<ref name="HDI" /> Seine [[Marktwirtschaft]] ist Teil des [[Europäischer Binnenmarkt|europäischen Binnenmarktes]] und basiert weitgehend auf Dienstleistungen, gefolgt von Industrie – insbesondere Maschinenbau und Bergbau – und Landwirtschaft. Bulgarien ist der weltweit größte [[Lavendelöl]]produzent und hat eine [[Rosental (Bulgarien)|lange Tradition]] im [[Rosen]]anbau und der [[Rosenöl]]herstellung. Das Land ist mit einer [[Demografische Krise|demografischen Krise]] konfrontiert, da seine Bevölkerung seit etwa 1990 jährlich schrumpft. Verglichen mit einem Höchststand von fast neun Millionen Einwohnern im Jahr 1988 zählt es heute nur etwa 6,5 Millionen. Bulgarien ist seit 29. März 2004 Mitglied der [[NATO]] und seit 1. Januar 2007 Mitglied der [[Europäische Union|Europäischen Union]] (EU) und des [[Europarat]]es, Gründungsmitglied der [[Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa|OSZE]] und hat dreimal einen Sitz im [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]] eingenommen.
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=== Geologie ===
Die Republik Bulgarien liegt im Osten der [[Balkanhalbinsel]]. Bulgarien grenzt im Norden an [[Rumänien]], im Westen an [[Serbien]] und [[Nordmazedonien]], im Süden an [[Griechenland]] und die [[Türkei]].
Die Grenzen [[Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei|zur Türkei]] (270 km), Nordmazedonien (148 km) und [[Grenze zwischen Bulgarien und Serbien|zu Serbien]] (318 km) sind zugleich [[EU-Außengrenze]]n.
Rumänien, Griechenland und Bulgarien sind EU-Mitglieder.
Die [[Grenze zwischen Bulgarien und Rumänien|Grenze zu Rumänien]] ist 631 km lang; zum größten Teil ist die Donau die Grenze. Die Grenze zu Griechenland ist 259 km lang.<ref>[http://geografia.kabinata.com/01.htm ''ГЕОГРАФСКО ПОЛОЖЕНИЕ И ГРАНИЦИ НА БЪЛГАРИЯ''], geografia.kabinata.com (bulgarisch)</ref>
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'''Stara Planina (Balkangebirge)''': Auf der Nordseite schneereiche Winter, auf der Südseite zur gleichen Jahreszeit selten Schneefälle. Besonders im Westen sowie im [[Rila]]- und [[Piringebirge]] herrscht das sogenannte [[Gebirgsklima|alpine Klima]].
[[Datei:Сателитна снимка България 2.jpg|mini|hochkant=1.5|Bulgarien im Mai: Schneebedeckte Gebirge im Norden und Westen. Wolkenbildung über dem Schwarzen Meer.]]
'''Zentralbulgarien''' und '''Südwesten''': Südlich des Balkangebirges liegt die [[Oberthrakische Tiefebene]], in welche das Kontinentalklima nicht vordringen kann. Südlich des Gebirges sorgen also [[Maritimes Klima|maritime]] Einflüsse für einen gemäßigten Winter, ein regenreiches Frühjahr und einen warmen Sommer. An der Grenze zu Griechenland und zur Türkei – unter dem Einfluss der [[Ägäis]] – verstärkt sich der [[Mittelmeerklima|mediterrane]] Charakter des Klimas.
'''Bulgarische Rhodopen''': Die drei Gebirge Rila, Pirin und [[Rhodopen]] nehmen die westliche Hälfte Südbulgariens ein. Im Gegensatz zu den deutlich höheren Schwestergebirgen weisen die Rhodopen nur im Westen Gebirgsklima auf, im Osten zeigt sich bereits der Übergang zum Küstenklima.
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[[Datei:Bevölkerungspyramide Bulgarien 2016.png|mini|Bevölkerungspyramide 2016: Bulgarien ist eine stark alternde Gesellschaft]]
Bulgarien hatte 2021 6,5 Millionen Einwohner, 2,4 Millionen bzw. ein Viertel weniger als die 8,9 Millionen von 1985.<ref name=":5">{{Internetquelle |url=https://www.nsi.bg/sites/default/files/files/pressreleases/Census2021_predvaritelna_ocenka.pdf |titel=Census 2021 {{!}} National statistical institute |format=PDF |sprache=bg |abruf=2022-01-18}}</ref> Das jährliche Bevölkerungswachstum betrug −0,6 %. Der [[Median]] des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2020 bei 44,6 Jahren.<ref>{{Internetquelle |url=https://population.un.org/wpp/Download/Standard/Population/ |titel=World Population Prospects 2019 - Population Dynamics -Download Files |hrsg= [[Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen]] |datum=2020 |sprache=en |abruf=2022-05-26}}</ref> Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2020 statistisch bei 1,6.<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.TFRT.IN?locations=BG |titel=Fertility rate, total (births per woman) |werk=World Bank Open Data |hrsg=Weltbank |datum=2022 |sprache=en |abruf=2022-05-26}}</ref> Die [[Lebenserwartung]] der Einwohner Bulgariens ab der Geburt lag 2020 bei 73,6 Jahren<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.LE00.IN?locations=BG |titel=Life expectancy at birth, total (years) |werk=World Bank Open Data |hrsg=Weltbank |datum=2022 |sprache=en |abruf=2022-05-26}}</ref> (Frauen: 77,5<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.LE00.FE.IN?locations=BG |titel=Life expectancy at birth, female (years) |werk=World Bank Open Data |hrsg=Weltbank |datum=2022 |sprache=en |abruf=2022-05-26}}</ref>, Männer: 69,9<ref>{{Internetquelle |url=https://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.LE00.MA.IN?locations=BG |titel=Life expectancy at birth, male (years) |werk=World Bank Open Data |hrsg=Weltbank |datum=2022 |sprache=en |abruf=2022-05-26}}</ref>). Die Lebenserwartung sank von den 1970er Jahren bis ungefähr 2000 und begann dann wieder zu steigen.<ref name="esa.un.org">{{Internetquelle |url=https://esa.un.org/unpd/wpp/DataQuery/ |titel=World Population Prospects – Population Division – United Nations |abruf=2017-07-12}}</ref>
Die Bevölkerungsdichte lag bei 64 Einwohnern/km². Der Großteil der Bevölkerung lebt in den Städten südlich des [[Balkangebirge]]s.
Viele Bulgaren verließen nach 1990 sowie nach dem [[Erweiterung der Europäischen Union#Sechste Erweiterung (Osterweiterung, Teil II) 2007|EU-Beitritt]] das Land und ließen sich in verschiedenen
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[[Datei:Bulgaria languages.svg|mini|hochkant=1.5|Gemeinden nach Sprache:<br />{{Farbindex|FCF404|mehrheitlich Bulgarisch}}<br />{{Farbindex|C2C2C2|mehrheitlich Türkisch}}
]]
Nach der [[Volkszählung]] 2011 sind 84,8 % der Bevölkerung [[Bulgaren]]; 8,8 % sind [[Türken]] (siehe: [[Balkantürken]]), 4,9 % [[Roma]]. Der Anteil der Roma dürfte höher liegen als nach der offiziellen Angabe; er wird vom [[Europarat]] auf rund 800.000, also fast 12 % geschätzt.<ref>{{Internetquelle |autor=ERRC.org – European Roma Rights Centre |url=http://www.errc.org/article/council-of-europe-commissioner-for-human-rights-presents-report-on-bulgaria/2667 |titel=Council of Europe Commissioner for Human Rights Presents Report on Bulgaria |werk=www.errc.org |abruf=2016-11-13}}</ref> Außerdem leben [[Russen]] (9978), [[Armenier]] (6552), [[Walachen]] (3684, im Norden [[Rumänen]], im Süden [[Aromunen]]) und die muslimischen,
Trotz dieser Distanz nehmen diese Gruppen in reger Weise am gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes teil. Beispielsweise war die [[Dwischenie sa Prawa i Swobodi|''Bewegung für Bürgerrechte und Freiheiten (DPS)'']], die überwiegend von türkischstämmigen und muslimischen Bürgern unterstützt wird, zwischen 2001 und 2009 in zwei Koalitionsregierungen vertreten. Die türkische Minderheit ist laut der Volkszählung von 2001<ref>{{Internetquelle |url=http://www.nsi.bg/Census_e/Census_e.htm |titel=Übersicht des Berichtes des Nationalen Statistischen Instituts (NSI) zum Zensus 2001 |sprache=en |abruf=2010-03-06}}</ref> besonders zahlreich in den [[Bezirke in Bulgarien|Bezirken]] [[Kardschali]], [[Oblast Rasgrad|Rasgrad]], [[Oblast Targowischte|Targowischte]], [[Silistra]] und [[Oblast Schumen|Schumen]] vertreten. Die Pomaken sind vor allem im Bezirk [[Oblast Smoljan|Smoljan]] anzutreffen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.nsi.bg/Census_e/Ethnos.htm |titel=Tabellarische Übersicht der Einwohner Bulgariens nach Gebieten und ethnischen Gruppen im Bericht des Nationalen Statistischen Instituts, NSI zum Zensus 2001 |sprache=en |abruf=2010-03-06}}</ref>
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{{Hauptartikel|Fürstentum Bulgarien|Zarentum Bulgarien}}
Nach dem [[Berliner Kongress|Berliner Vertrag]], der ein Machtkompromiss der Großmächte war, wurden zwei bulgarische Staaten gegründet, die nominell dem Osmanischen Sultan unterstanden. Nördlich des Balkangebirges und südlich der Donau wurde das dem Osmanischen Reich tributpflichtige ''Fürstentum Bulgarien'' gegründet, das auch die [[Sofiaebene|Region]] um die neue Hauptstadt Sofia miteinschloss. Südlich des Balkangebirges wurde mit Plowdiw als Regierungssitz die osmanische Provinz [[Ostrumelien]] gegründet, die über eine eigene Verfassung und Miliz verfügte und durch einen vom osmanischen Sultan eingesetzten, jedoch von den Großmächten gebilligten christlich-bulgarischen Gouverneur regiert wurde. [[Makedonien]], das noch im Vertrag von San Stefano Teil des bulgarischen Staates war, blieb ganz unter osmanischer Hoheit.
[[Datei:Bulgaria, after balkan wars 1913 de.svg|mini|Gewinne und Verluste des Zaren­
]]
Am 16. April 1879 wurde die erste demokratische [[Verfassung von Tarnowo|Verfassung]] in Weliko Tarnowo verabschiedet. Fürst [[Alexander I. (Bulgarien)|Alexander I.]] (1879–1886) versuchte innere Reformen durchzusetzen, vereinigte die zwei bulgarischen Staaten und [[Serbisch-Bulgarischer Krieg|besiegte Serbien]], wurde aber durch einen von [[Russisches Kaiserreich|Russland]] veranlassten [[Putsch von 1886|Putsch]] gestürzt. 1887 wurde [[Ferdinand I. (Bulgarien)|Ferdinand von Coburg-Gotha]] Fürst, der 1908 die völlige Loslösung vom Osmanischen Reich erklärte und den [[Zar]]entitel annahm, womit aus dem Fürstentum das ''Zarentum Bulgarien'' wurde. Die Erfolge der bulgarischen Truppen im [[Balkankriege|Ersten Balkankrieg]], mit der Eroberung von [[Edirne|Adrianopel]], wiederholten sich im Zweiten Balkankrieg nicht. Während die bulgarische Streitmacht an der [[Griechenland|griechischen]] und serbischen Front gebunden war, drangen die [[Rumänien|Rumänen]] bis nach Sofia vor. Die Türken eroberten Adrianopel wieder zurück.
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Der wohl prägendste Politiker in Bulgariens sozialistischer Phase war [[Todor Schiwkow]], der am 20. November 1962 nach dem achten Parteikongress das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Bis dahin war er der Vorsitzende des Zentralkomitees (ZK) der KP und somit bereits mächtigster Mann im Staat. Bereits auf dem siebten Parteikongress im Juni 1958 der BKP forderte Schiwkow „vermehrte Anstrengungen zur Schaffung des Neuen Menschen und zur Anpassung der Lebensweise an die bereits in einem sozialistische Sinne umgestaltete Gesellschaft“.<ref>Brunnbauer: S. 295.</ref> Aufgabe der Partei war es somit, Methoden zu entwickeln, wie die Bürger außerhalb der Arbeit nach dem sozialistischen Muster geformt werden konnten. Schiwkow wies auch auf die Notwendigkeit einer „sozialistischen Kulturrevolution“ hin.
Zweimal (1963 und 1973) wurde während der Regierungszeit Schiwkows in geheimen Treffen des ZK vergeblich die Auflösung der Volksrepublik Bulgarien als souveräner Staat und die Eingliederung als 16. [[Unionsrepublik|SSR]] in die Sowjetunion beraten.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.dariknews.bg/view_article.php?article_id=428466 |titel={{lang|bg|Желю Желев пред "А Бе Се": Комунизмът бе по-лош от фашизма}} |titelerg=(Schelju Schelew: Der Kommunismus war schlimmer als der Faschismus) |werk=Darik News |datum=2009-11-05 |sprache=bg |abruf=2010-03-06}}
=== Der politische Umbruch ===
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In der Wirtschaft kam es nach Simeons Reformen zu einem weiter anhaltenden Aufschwung, von dem allerdings eher in- und ausländische Investoren und städtische Oberschichten als Durchschnittsbürger profitierten. In vielen ländlichen Gebieten herrschten hohe [[Arbeitslosigkeit]] (im Landesdurchschnitt etwa 12 % für das 1. Quartal 2012<ref name="Arbeit2012">[http://www.dnevnik.bg/bulgaria/2012/05/04/1820296_bezraboticata_prez_purvoto_trimesechie_e_129/ Die Arbeitslosigkeit für das 1. Quartal 2012 beträgt 12,9 %] ({{bgS|Безработицата през първото тримесечие е 12,9 %}}). Dnevnik, abgerufen am 4. Mai 2012.</ref>) und [[Korruption]]. Die traditionelle [[Landwirtschaft]] erwirtschaftete<!--wann??--> mit 26 % der Beschäftigten 13 % des [[Bruttoinlandsprodukt]]s (BIP).
Zum 1. Januar 2007 wurden Bulgarien und Rumänien in die [[Europäische Union]] aufgenommen. Bulgarien zählt noch nicht zum [[Schengen-Raum]]. Ein Beitrittstermin im Jahre 2011 konnte wegen unerfüllter Kriterien (Korruptionsbekämpfung etc.) nicht realisiert werden. Angesichts der [[Flüchtlingskrise in Europa 2015/2016|Flüchtlingskrise in Europa seit 2015]]
[[Datei:Bulgarian protests - 17 July 2020.jpg|mini|Proteste in Bulgarien 2020]]
Der von 2005 bis 2009 von den Sozialisten unter [[Sergei Stanischew]] angeführten Drei-Parteien-Koalition (BSP, NDSW, DPS) wurde nach dem Stopp der [[Förderprogramme der EU|EU-Finanzhilfen]] ein Scheitern der EU-Politik sowie Korruption, eine unzureichende Bekämpfung der Mafia und das Fehlen einer angemessenen Jugendpolitik vorgeworfen.<ref>{{Webarchiv |url=https://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/379534 |text=sueddeutsche.de |wayback=20090131032344}}, 29. Januar 2009.</ref> Anfang 2009 schenkten ihr nur noch 15 % der Bulgaren Vertrauen, 76 % äußerten Misstrauen.<ref>[http://www.mediapool.bg/show/?storyid=148338&srcpos=13 ''Предстоят "особени" избори''], mediapool.bg, 27. Januar 2009.</ref>
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Die regierenden Parteien verloren die [[Wahlen in Bulgarien#Europawahl 2009|Europawahl 2009]] und [[Wahlen in Bulgarien#Parlamentswahlen 2009|die Parlamentswahlen 2009]]; die vormals mitregierende NDSW war nach der Wahl nicht mehr parlamentarisch vertreten. Beide Wahlen wurden von der [[GERB]]-Partei des ehemaligen Bürgermeisters von Sofia, [[Bojko Borissow]], gewonnen. Die [[Regierung Borissow I|Regierung Borissow]] war eine Minderheitsregierung der GERB-Partei, die zunächst von konservativen Kräften der [[Blaue Koalition|Blauen Koalition]] unterstützt wurde. Anfangs unterstützten die Parteien ''Ordnung, Sicherheit und Gerechtigkeit'' sowie die nationalistische [[Ataka (Partei)|Ataka]] ebenfalls die Regierung, entzogen ihr aber 2010 diese Unterstützung.
Bei den [[
In der [[Präsidentschaftswahl 2016 (Bulgarien)|Präsidentschaftswahl 2016]] gewann der unabhängige [[Rumen Radew]].
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Über viele Jahre war die konservative [[GERB]] die dominante Partei. Ihr Parteichef Bojko Borissow war lange Zeit Ministerpräsident. Bei der Wahl im November 2021 erhielt die GERB jedoch ihr schlechtestes Ergebnis seit ihrer Gründung 2006. Auch die [[Bulgarische Sozialistische Partei]] erhielt ihr schlechtestes Ergebnis seit der Demokratisierung des Landes 1990. Die Wahlen gewann dagegen die neu gegründete pro-westliche Antikorruptionspartei [[Wir setzen den Wandel fort]] (PP) von [[Kiril Petkow (Politiker)|Kiril Petkow]] mit 25,7 %. Sie bildete eine Vier-Parteien-Koalition mit der Partei [[Es gibt ein solches Volk]] (ITN), den Sozialisten und dem Wahlbündnis [[Demokratisches Bulgarien]] (DB). Die Wahlbeteiligung lag bei nur 37 %.
Das Parteiensystem ist geprägt von zwei wesentlichen [[Cleavage-Theorie|sozialpolitische Konfliktlinien]]: Zum einen den Konflikt zwischen konservativen und liberalen Parteien, zum anderen zwischen pro-russischen und pro-westlichen Parteien. Ein dritter Konflikt änderte sich von ''Stadt gegen Land,'' nach dem Balkankriegen 1912/13 und dem Ersten Weltkrieg, zu einem Konflikt ''Kapital gegen Arbeit,'' der ebenfalls bis heute besteht. Dafür entstand ein Konflikt ''Kirche gegen Staat'' in Bulgarien nicht, obwohl die Bulgarisch-Orthodoxe Kirche eine starke Position bei der Gründung des heutigen
=== Präsident ===
Seit dem 22. Januar 2017 ist [[Rumen Radew]] Präsident Bulgariens. Er war als unabhängiger Kandidat für die [[Bulgarische Sozialistische Partei]] zur [[Präsidentschaftswahl in Bulgarien 2016|Präsidentschaftswahl im November 2016]] angetreten und gewann die Stichwahl gegen [[Zezka Zatschewa]] mit 59,4 % der Stimmen.<ref>{{Internetquelle |url=http://results.cik.bg/pvrnr2016/tur2/president/index.html |titel={{lang|bg|Резултати за президент и вицепрезидент на републиката}} |hrsg=Wahlkommission Bulgariens |sprache=bg |abruf=2016-11-19}}</ref>
=== Politische Indizes ===
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|[[Korruptionswahrnehmungsindex]] (CPI)||style="text-align:right"|43 <small>von 100</small>|| style="text-align:right" |72 <small>von 180</small>||0 = sehr korrupt / 100 = sehr sauber||2022<ref>{{Internetquelle |url=https://www.transparency.de/cpi/cpi-2022/cpi-2022-tabellarische-rangliste |titel=CPI 2022: Tabellarische Rangliste |hrsg=[[Transparency International]] Deutschland e. V. |datum=2023 |abruf=2023-05-23}}</ref>
|}
{{Veraltet|seit=2021}}
Die meisten Medien sind in der Hand führender Politiker oder von [[Oligarch]]en, die enge Beziehungen zur Politik pflegen und die [[öffentliche Meinung]] in ihrem Sinne zu beeinflussen suchen – allen voran [[Deljan Peewski]] (* 1980), der neben zahlreichen TV- und Radiosendern 40 % aller Zeitungen besitzt. Desinformation, Zensur und [[Selbstzensur]] sind daher weit verbreitet. Die [[Süddeutsche Zeitung]] nannte 2020 die Lage der Medienfreiheit „katastrophal schlecht“.<ref>{{Internetquelle |autor=Cathrin Kahlweit |url=https://www.sueddeutsche.de/medien/bulgarien-pressefreiheit-radio-1.5102662 |titel=Pressefreiheit in Bulgarien: Runter auf Platz 111 |datum=2020-11-02 |sprache=de |abruf=2022-03-06}}</ref>
=== Außenpolitik ===
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[[Datei:2010Nabuccopipelinemap.jpg|mini|Nabucco-Pipeline]]
Aufgrund seiner strategischen Lage sowie des einheimischen Bedarfs
Das Erdgasleitungen [[Nabucco-Pipeline|Nabucco]] und South Stream wurden jedoch nicht realisiert. Stattdessen wurde 2019/2020 die [[Transadriatische Pipeline]] durch [[Griechenland]], [[Albanien]] und das [[Adriatisches Meer|Adriatische Meer]] nach Süd[[italien]] gebaut ohne Anschluss an Bulgarien.
Auch die Burgas-Alexandroupolis-Ölpipeline wurde nicht gebaut. Es gab Bürgerbegehren gegen dieses Projekt und Proteste von Umweltschützern. Mitte Dezember 2011 erklärte die Regierung Bulgariens den Ausstieg aus dem Projekt.
==== Öl und Erdgas ====
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== Infrastruktur ==
[[Datei:Pan-European corridor VIII de.png|mini|Bulgarien und die paneuropäischen Verkehrskorridore]]
Bulgarien ist ein wichtiges Transitland zwischen [[Mitteleuropa]] und
Das Land verfügt über ein relativ gut ausgebautes Verkehrsnetz: Eisenbahnnetz ([[Bulgarische Eisenbahninfrastrukturgesellschaft]]), Straßennetz (jedoch bislang nur wenige Autobahnen), vier internationale Flughäfen ([[Flughafen Sofia]], [[Flughafen Warna]], [[Flughafen Burgas]] und [[Flughafen Plowdiw]]), zwei Hochseehäfen ([[Hafen Burgas]], [[Hafen Warna]]) und mehrere kleinere Seehäfen ([[Sosopol]], [[Baltschik]]) sowie Binnenhäfen (an der Donau). Bis ins späte Mittelalter spielte die Binnenfahrt auf dem Fluss [[Mariza]] eine wichtige Rolle. Der Schiffsverkehr auf der Donau spielt für Bulgarien nur eine geringe Rolle. In den Häfen [[Russe (Stadt)|Russe]], [[Widin]], [[Lom (Bulgarien)|Lom]] und [[Silistra]] findet ein begrenzter Güterumschlag statt; in Russe legen [[Kreuzfahrtschiff]]e an.
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Der Verkehr in Bulgarien findet vor allem auf der Straße statt. Zwischen den Großstädten verkehren Busse mehrerer Busunternehmen. Regionalverbindungen in die kleineren Städte gibt es von der jeweiligen Provinzhauptstadt. In der Sommerzeit werden auch direkte Verbindungen von Sofia und anderen Großstädten in die meisten Tourismusorte an der Schwarzmeerküste angeboten. Die Busverbindungen in die Groß- und Hauptstädte der Nachbarländer stellen eine preiswertere Alternative dar und sind gut ausgebaut. Insgesamt hat Bulgarien mit der Türkei drei Grenzübergänge, mit Griechenland vier (ein weiterer in Bau),<!--Stand?--> mit Nordmazedonien drei (weitere drei in Planung),<!--Stand?--> mit Serbien fünf (weitere drei in Planung)<!--Stand?--> und mit Rumänien zwölf (ein weiterer wurde 2013 mit der [[Donaubrücke 2]] eröffnet).
Das bulgarische Autobahnnetz befindet sich noch im Ausbau. Durch die Schließung der letzten Lücken der [[Awtomagistrala Trakija|Autobahn Trakia (A 1)]] besteht seit Mitte 2013 eine direkte Autobahnverbindung zwischen der Hauptstadt Sofia und dem Schwarzen Meer. Anders als in den Nachbarländern gibt man in Bulgarien
{{Siehe auch|Liste der Autobahnen in Bulgarien}}
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Alle großen Städte Bulgariens werden von der [[Balgarski Darschawni Schelesnizi|Bulgarischen Staatsbahn]] erschlossen. Die Hauptstrecken werden ausgebaut, jedoch werden Zugverbindungen in kleinere Orte gestrichen. Auf der Strecke Sofia–Burgas (ca. 400 km) dauert eine Zugfahrt etwa sechseinhalb Stunden, während eine Busfahrt nur fünf Stunden benötigt. Aus diesem Grund wird die bulgarische Bahn eher gemieden, ist jedoch auf einigen Strecken preiswerter als eine Busfahrt.
[[Hochgeschwindigkeitszug|Hochgeschwindigkeitsverkehr]] existiert in Bulgarien
Einige bulgarische Städte (Sofia, Burgas u. a.) sind Beginn und Ziel mehrerer europäischer Zugverbindungen (siehe: [[Balgarski Darschawni Schelesnizi#Internationale Kursbuchstrecken (Stand: März 2011)|Internationale Strecken]]). Auch der [[Orient-Express]] durchquerte Bulgarien.
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=== Feiertage ===
{| class="wikitable zebra"
! Datum !! Name<ref>{{Internetquelle |url=https://www.parliament.bg/
! Deutscher Name !! Anmerkungen
|-
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| {{lang|bg|Нова година}}
| [[Neujahr]] ||
|-
| 3. März
Zeile 793:
|-
| 1. Mai
| {{lang|bg|Ден на труда}} и на международната работническа солидарност
| [[Erster Mai|Internationaler Tag der Arbeit]] und der internationalen Arbeitersolidarität ||
|-
| 6. Mai
Zeile 801:
|-
| 24. Mai
| {{lang|bg|Ден на светите братя Кирил и Методий, на българската азбука, просвета и култура и на славянската
| Tag der Heiligen [[Kyrill und Method]], des bulgarischen Alphabets, der Aufklärung und Kultur und der slawischen Literatur ''(der Feiertag ist eng verknüpft mit der Kreation des [[Kyrillisches Alphabet|kyrillischen Alphabets]])''
| schulfrei
|-
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==== Volleyball ====
Volleyball ist nach Fußball die zweite Ballsportart, die nicht nur in Bulgarien beliebt, sondern in der das Land auch international erfolgreich ist. Die [[Bulgarische Volleyballnationalmannschaft der Männer|Männermannschaft]] erreichte zuletzt 2007 den dritten Platz bei der [[Volleyball-Weltmeisterschaft|Weltmeisterschaft]] und nimmt zurzeit (August 2016) den 16. Platz der [[Volleyball-Weltrangliste]] ein. Die [[Bulgarische Volleyballnationalmannschaft der Frauen|Frauen]] erreichten den Gipfel ihrer sportlichen Erfolge mit dem [[Volleyball-Europameisterschaft|Europatitel]] im Jahre [[Volleyball-Europameisterschaft der Frauen 1981|1981]]. Zu den bekanntesten bulgarischen Volleyballspielern zählen [[Plamen Konstantinow]], [[Daniel Peew (Volleyballspieler)|Daniel Peew]], [[Nikolaj Scheljaskow]], [[Ljubomir Ganew]], [[Martin Stoew]], [[Wladimir Nikolow]] und [[Matej Kasijski]] sowie bei den Frauen [[Zwetana Boschurina]] und [[Jordanka Bontschewa]].
2012 erreichte Bulgarien bei den [[Olympische Sommerspiele 2012/Volleyball (Halle)|Olympischen Spielen in London]] den vierten Platz bei den Männern.
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==== Special Olympics ====
[[Special Olympics Bulgarien]] wurde 1994 gegründet und nahm mehrmals an [[Special Olympics#Weltspiele|Special Olympics Weltspielen]] teil.
== Siehe auch ==
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== Weblinks ==
{{Schwesterprojekte
|commonscat=Bulgaria
|s=Bulgarien
|voy=Bulgarien
}}
{{Portal|Bulgarien}}
{{Wikiatlas|Bulgaria|Bulgarien}}
* {{CIA-Factbook |Pfad= |Code=bulgaria |Text=}}
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