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Nostalgie und neue Freundschaften Warum LAN-Partys immer noch faszinieren

Die Blütezeit von LAN-Partys ist mehr als 20 Jahre her. Und doch: Noch immer schleppen viele Gamer gern ihre Rechner in große Hallen, um gemeinsam exzessiv zu zocken – so wie jetzt in Köln.
So sieht es auf einer LAN-Party aus: Dieses Bild stammt von der DreamHack Leipzig aus dem Jahr 2020

So sieht es auf einer LAN-Party aus: Dieses Bild stammt von der DreamHack Leipzig aus dem Jahr 2020

Foto: Jens Schlueter / Getty Images

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Nüchtern betrachtet klingen LAN-Partys nicht nur spaßig. Maximilian Knabe kommt sogar der Begriff »Selbstgeißelung« in den Sinn. Knabe ist einer der erfolgreichsten deutschen Gaming-Videomacher – und hat auf LAN-Partys schon viele Nächte durchgezockt. »Man hat typischerweise chronischen Schlafmangel und liegt später mit Schlafsack und Isomatte neben seinem Computer unter einer Biertischgarnitur«, fasst er den anstrengenden Teil solcher Computerspiel-Events zusammen. Auch die Hygiene komme vor Ort manchmal zu kurz. Doch ein simpler Vergleich reicht, schon klingt das Ganze positiver: »LAN-Party, das ist ein bisschen wie auf einem Festival zu sein.«

LAN-Party. Dieses Wort mag für manche Gamer gestrig klingen. Denn ihre Blütezeit hatte die LAN-Party-Kultur in den Neunziger- und den frühen Nullerjahren, als noch sehr wenige Haushalte fürs Onlinespielen geeignete Internetanschlüsse hatten. In vielen Cliquen und Freundeskreisen wurden daher etliche Rechner und Monitore hin und her geschleppt, mit dem Ziel, sie in Wohn- und Jugendzimmern oder in großen Hallen über Ethernet-Kabel zu vernetzen. Anschließend konnte man sich über das »Local Area Network« (LAN) in Multiplayer-Games duellieren, stunden- oder auch gleich tagelang.

Hendrik Lesser, der Vorsitzende des Vereins Videospielkultur, erinnert sich noch gut an die Anfänge der LAN-Szene. »Als ich mit meinem Vater das erste Mal zusammen ›Doom‹ gespielt habe, waren wir total aufgeregt«, sagt der 46-Jährige. Schon dass das Ganze überhaupt funktioniert habe, sei beeindruckend gewesen. »Neben Shootern waren auf LAN-Partys vor allem Strategiespiele wie ›Starcraft‹ oder ›Age of Empires‹ beliebt«, erinnert sich Lesser. »Die Faszination war das Miteinander, das Vernetztsein.«

Das Ganze habe »etwas Visionäres« an sich gehabt, meint Lesser, zumal Gaming damals noch lange kein Mainstream-Hobby gewesen sei. »Wer spielte, galt als komischer Nerd«, sagt er. »Dass wir Gamer plötzlich die Möglichkeit hatten, uns für ein, zwei Tage einzusperren und gemeinsam zu spielen, hat die Videospielkultur entscheidend vorangebracht.«

Gezockt wird in Halle 2.1

Zwei bis drei Jahrzehnte später sieht die Welt anders aus. Fast jedes Multiplayer-Spiel lässt sich heute über das Internet online spielen, teils sogar vom Smartphone aus. Und auch der Ruf von Spielefans hat sich über die Jahre gewandelt. Aus dem Nerdphänomen Gaming ist ein Massenphänomen geworden, ein Milliardenmarkt.

Eines aber hat sich nicht geändert: Der Ansatz, sich physisch an einem Ort zu treffen, um gemeinsam gern auch exzessiv zu spielen, übt auf viele Gamer weiter eine gewisse Faszination aus. LAN-Partys sind noch lange nicht tot.

Der nächste Beweis dafür soll von Freitag bis Sonntag erbracht werden. Ungefähr 1200 Spielefans treffen sich dann zur sogenannten Gamescom LAN , einem neuen Event, das nicht nur der Name mit der bekannten Spielemesse Gamescom verbindet. Auch der Ort ist der gleiche: Gezockt wird auf dem Kölner Messegelände, diesmal in Halle 2.1.

Eine Besonderheit der Gamescom LAN ist, dass hier auch einige Stars der Webvideoszene dabei sind. Neben HandOfBlood spielen zum Beispiel Elias Nerlich und HoneyPuu mit, ebenso Mitglieder ihrer Communitys.

Wer gut ist, kann das Eintrittsgeld wieder reinspielen

129 Euro kosten Tickets für die Veranstaltung, wenn man seine eigene Gamingausrüstung mitbringt. Wer sich an Maus und Tastatur oder am Gamepad geschickt anstellt, kann aber auch den Eintritt wieder reinspielen, denn zu einer ordentlichen LAN gehört natürlich auch E-Sport. In Disziplinen wie »Counter-Strike«, »League of Legends« und »Rocket League« wird um Preisgelder in Höhe von insgesamt 45.000 Euro gekämpft.

Für manche jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfte die Gamescom LAN das erste Event dieser Größenordnung sein, eine neue Erfahrung im Zeitalter des Onlinegamings. Für andere Besucherinnen und Besucher dagegen dürfte das Event eher ein Nostalgietrip sein, der Erinnerungen an die eigene Jugend weckt.

Maximilian Knabe denkt gern an seine ersten LAN-Party-Erfahrungen zurück. Zum Beispiel an die NorthCon in Neumünster, eines der größten und traditionsreichsten Gamertreffen Deutschlands. »Dort habe ich zum ersten Mal jemanden persönlich getroffen, den ich über ein Onlinespiel kennengelernt habe«, sagt er. »Den habe ich in Hamburg mit meinem Golf III eingesammelt und dann sind wir losgedüst.«

»Den Vibe vor Ort aufsaugen«

Was Knabe LAN-Party-Neulingen raten würde? »Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man sich nicht stressen lässt«, sagt er. Es sei »das Normalste der Welt, ein paar technische Probleme zu haben«, wenn Hunderte Gamer ihre Computer vernetzen und verschiedene Spiele spielen. »Außerdem sollte man nicht auf die Uhr schauen, sondern den Vibe vor Ort aufsaugen«, meint Knabe, »und einfach mal die Chance nutzen, mit wildfremden Leuten zu schnacken.«

Den sozialen Aspekt von LAN-Partys hebt auch Hendrik Lesser hervor. »Wenn du jung bist und mit Freunden auf so ein Event wie die Gamescom LAN gehst und dort drei Tage chillst und zockst, dann vergisst du das nicht«, sagt er. »Erst recht nicht, wenn du dort nette Leute kennenlernst. Ein durchzocktes Wochenende in einem Onlinespiel dagegen behältst du wahrscheinlich nicht so lange in Erinnerung.«

Daran, dass LAN-Partys heutigen Jugendlichen überhaupt noch ein Begriff sind, haben auch Webstars wie Wieland Welte alias Rumathra ihren Anteil. Auch er, bekannt geworden als Twitch-Streamer und Teilnehmer des Survival-Formats »7 vs. Wild«, zählt zu den Vorzeigestars der Gamescom LAN.

Viel Zeit dicht beieinander

Welte wird am Eröffnungstag der Veranstaltung 28 Jahre alt, die Hochphase der LAN-Partys kennt er laut eigenen Angaben nur aus Erzählungen. »Meine erste LAN habe ich 2019 mit Streaming-Kollegen gemacht«, sagt er, auch sein »7 vs. Wild«-Partner Trymacs sei damals dabei gewesen. »Wir haben bis tief in die Nacht gezockt, auf Luftmatratzen geschlafen«, erinnert sich Welte, »ständig zog der Geruch von Pizza, Burgern oder Döner durch den Raum. Man will so lange wie möglich zocken und liefern geht schneller als kochen.«

Manche Momente auf LAN-Partys findet aber auch Welte anstrengend. »Ich bin ein Typ, der auch mal fünf bis zehn Minuten seine Ruhe braucht«, sagt er. »Das ist auf so einer LAN-Party natürlich schwierig. Da kommt man nicht so richtig weg.« Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gamescom LAN immerhin gibt es in dieser Hinsicht gute Nachrichten: Die Veranstalter stellen allen Besucherinnen und Besuchern auch eine Ruhehalle zur Verfügung, ganz ohne das ständige Klappern von Tastaturen.