Der politische Kompromiss muss wieder positiv besetzt werden. Das sagt Hannovers Regionspräsident Steffen Krach (SPD).

Herr Krach, es wurde ein Mordaufruf gegen Sie öffentlich. Was macht das mit Ihnen?

KrachDas lässt mich natürlich nicht kalt, grundsätzlich fühle ich mich in der Region Hannover jedoch sicher. Der Fall ist aber keine Bagatelle. Da müssen wir gegensteuern.

Wie? Brauchen wir schärfere Gesetze?

KrachNein, das darf nicht die einzige Antwort sein. Die Verärgerung und der Hass auf Politiker haben sich über Jahre hinweg aufgebaut. Vertrauen zurückzugewinnen, wird ebenfalls dauern. Wichtig ist, dass alle demokratischen Parteien zu einem fairen Umgang miteinander zurückkehren und den politischen Kompromiss wieder als positiv ansehen. Vor allem kann es nicht sein, dass der demokratische Mitbewerber als „Hauptfeind“ bezeichnet wird. Wir müssen aber auch bei Kindern und Jugendlichen dafür werben, was für ein großes Privileg es ist, in einer Demokratie leben zu dürfen.

Also Demokratie als Schulfach?

KrachJa, und zwar schon ab Klasse 1 in der Grundschule. Ein zweiter Aspekt: Wir dürfen gerade die Menschen in ländlichen Regionen nicht weiter abhängen. Jedes Jahr werden in Deutschland 80 Schwimmbäder geschlossen. Das ist ein Skandal. Man stelle sich vor, jedes Jahr würden 80 Autobahnen abgeschafft. Der Aufschrei wäre groß. Es ist Aufgabe des Staates, soziale Strukturen zu organisieren. Andernfalls machen die Feinde der Demokratie im ländlichen Raum entsprechende Angebote für Jugendliche.

Präsident der Region Hannover

Steffen Krach (44, SPD) ist seit 2021 Präsident der Region Hannover. Zuvor war er von 2016 bis 2021 Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in der Berliner Senatskanzlei. Ende April wurden vor dem Rathaus in Lehrte (Region Hannover) Karten gefunden, auf denen zum Mord an Krach aufgerufen wurde. Hintergrund könnte ein Streit um die Gesundheitsversorgung in der Region mit ihren etwa 1,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sein.

Wie begeistert man Menschen für die Kommunalpolitik, wenn sie selbst dort Hass und Hetze ausgesetzt sind?

KrachIn den Kommunen werden Entscheidungen getroffen, die die Menschen unmittelbar betreffen – vom Schwimmbad über die Kita bis zur Straßenreparatur. Das ist ein hohes Engagement für die Demokratie, das auch weiterhin viel Spaß machen kann. Manche Entscheidungen können hart sein, und das führt zu Gegenwind und leider auch schlimmeren Reaktionen. In Thüringen und Sachsen gibt es einen Notruf für Kommunalpolitiker. Den sollte es auch in Niedersachsen geben. Wenn die Bedrohungslage es erfordert, muss es Hilfe geben. Das ist bei Landes- oder Bundespolitikern ja auch so. Der Staat sollte zudem helfen, wenn Sicherheitsmängel in den Privatwohnungen der Politiker behoben werden müssen. Das können die Ehrenamtlichen nicht aus der eigenen Tasche bezahlen, und es wäre auch falsch.

Sind Sie für ein Verbot der AfD?

KrachEs gibt sehr viele gute Gründe, die dafür sprechen könnten. Letztlich muss das der Verfassungsschutz bewerten und Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung über eine Antragsstellung entscheiden. Das eigentliche Problem wird allein mit dem Verbot einer Partei nicht gelöst, da dürfen wir uns nichts vormachen.

Themenwechsel: Sie Sie haben die Hälfte Ihrer Amtszeit geschafft. Als größten Erfolg haben Sie die Schwimmkurse bezeichnet. Ist das Ihr Ernst?

KrachEs ist eines meiner Herzensprojekte. In der Kommunalpolitik sind nicht nur die großen Visionen wichtig, sondern vor allem die Verbesserungen im Kleinen. Das Projekt lag mir sehr am Herzen und ich habe dafür viele positive Reaktionen aus Familien erhalten. Das umstrittenste Projekt ist sicherlich die „Medizinstrategie 2030“ mit Änderungen bei der Gesundheitsversorgung. Es wird kein Krankenhaus-Standort in der Region so bleiben wie er heute ist. Aber ich bin überzeugt, dass es am Ende eine bessere Gesundheitsversorgung gibt – wir gehen also auch die großen Themen an.

Die Region hängt bei den Klimazielen hinterher. Ist Ihnen das Eingeständnis schwer gefallen?

KrachIch bin ein Fan davon, ambitionierte Ziele zu setzen, aber auch davon, transparent zu sein. Die Region Hannover will 2,5 Prozent der Gesamtfläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen. Der Landesgesetzgeber schreibt lediglich 0,6 Prozent vor. Für uns hat die Versorgung mit erneuerbaren Energien also absolute Priorität. Das Klimaziel halte ich nach wie vor für richtig, mit diesem Ziel handeln wir deutlich entschlossener. Sollte ein Tempolimit auf Autobahnen kommen, kommen wir unseren Zielen deutlich näher.

Sie haben einmal gesagt, Regionspräsident werde nicht Ihr letzter Job sein. Sie sind bis 2026 gewählt. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will 2027 nicht wieder antreten. Zeitlich würde das passen, oder?

KrachIch bin sehr glücklich in meinem Amt und schaue auch nicht auf andere Jobperspektiven. Aber mit 44 Jahren kann ich schwer behaupten, ich würde noch viermal zur Wahl zum Regionspräsidenten antreten. Das entscheiden die Menschen hier vor Ort und meine Partei, die mich aufstellen muss. Ich habe jetzt gerade einmal Halbzeit im Amt und mir noch einiges vorgenommen, um meine Region voranzubringen.

Verstehen Sie die Debatte um die Beförderung der Büroleiterin des Ministerpräsidenten?

KrachNein. Ich kenne nicht alle Details, aber ich würde den demokratischen Parteien raten, die Diskussion möglichst sachlich zu führen und sich um die eigentlichen Themen des Landes zu kümmern. Da haben wir doch wirklich genug zu tun.

Stefan Idel
Stefan Idel Landespolitischer Korrespondent