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27. September 2011
Medical Tribune Medizin Medien Austria

Highlights von der ÖDG-Frühjahrstagung
Best of Diabetes-News aus Linz

Bild: Archiv

LINZ – Der prognostizierte Anstieg der Diabetesprävalenz für die kommenden Jahre ist weltweit steil. Diabetologisches Fachwissen gewinnt daher in unterschiedlichen Bereichen zunehmend an Bedeutung. Die wichtigsten Neuigkeiten, die im Rahmen der ÖDG-Frühjahrstagung diskutiert wurden, hat die Medical Tribune für Sie zusammengefasst.

Foto: privatDie Diagnose eines Typ-2-Diabetes ist häufig ein Zufallsbefund: Die Stoffwechselstörung wird im Rahmen einer Gesundenuntersuchung oder eines Krankenhausaufenthaltes entdeckt.

Um die Früherkennung zu verbessern empfiehlt Univ.-Prof. Dr. Hermann Top­lak, Medizinische Universität Graz, die großzügige Durchführung oraler Glukosetoleranztests bei Personen mit erhöhtem Risiko.

Einfach zu ermitteln ist das indivduelle Risiko laut FINDRISK-Score: Bei einem Wert von über 20 Punkten beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen pathologischen oGTT immerhin 50 Prozent.

Viele Glukosepathologien können übersehen werden, wenn auf den oGTT verzichtet wird (siehe Kasten). 

Bild: Archiv Schwere Hyperglykämie

Achtung hoher Blutzucker: Wenn ein Patient mit einem Blutzuckerwert von über 500 mg/dl in Ihrer Ordination auftaucht, sollten Sie den Leitlinien folgen. Diese empfehlen eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr und stationäre Einweisung zur Normalisierung des Stoffwechsels.

Ohne Kenntnis der Kaliumkonzentration, des pHWerts und anderer Laborparameter ist es nicht ratsam, Insulin zu verabreichen. Prim. Dr. Johann Ecker, LKH Gmunden, empfiehlt 1000 ml Volumen i.v. (z.B. physiologische Kochsalzlösung) und ab ins nächstgelegene Spital. Von einer „blinden“ Insulintherapie ohne Kenntnis der Laborwerte rät er, vor allem bei kurzer Transportzeit, dringend ab.

Lange Hypoglykämie

Dachten Sie auch bisher, bei Hypoglykämien handle es sich um kurze Episoden? Falsch gedacht: Laut den Ergebnissen einer aktuellen Studie beträgt die Dauer von Hypoglykämie bei schlecht eingestellten, älteren Typ-2-Diabetikern durchschnittlich 47 Minuten. Die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten einer Unterzuckerung sind eine lange Diabetesdauer, das Vorliegen einer Niereninsuffizienz und das Alter.

Vorsicht bei älteren Patienten ist aber nicht nur wegen der unterschätzten Dauer geboten. Zu bedenken ist auch, dass die Symptomerkennung mit zunehmendem Alter schlechter wird und wiederholte schwere Hypoglykämien zu einer enormen Steigerung des Demenzrisikos führen. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi, AKH Wien, empfiehlt daher bei Typ-2-Diabetikern, wann immer möglich, Therapieschemata anzuwenden, bei denen die Gefahr für Hyopglykämien nicht relevant erhöht ist.

Er verweist auf Metformin, Pioglitazon und die Substanzgruppe der Gliptine. Patienten, die auf Therapien eingestellt sind, die mit einem erhöhten Hypoglykämierisiko verbunden sind, müssen entsprechend geschult werden, auch wenn sie mit oralen Medikamenten behandelt werden.

PAVK und Diabetes

Nicht selten ein Problem ist die nichtinvasive Diagnose von peripheren Durchblutungsstörungen beim Diabetiker. Eine Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (ABI) wird oft als Screening-Methode gefordert. Univ.-Doz. Dr. Christoph Säly, Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch, sieht diese Forderung eher kritisch. Seinen Empfehlungen zufolge sollten Diabetiker mit einer Claudicatio direkt einer Sonographie zugeführt werden.

Auch bei Diabetikern mit bekannter KHK bringt die ABI-Bestimmung fürs Gesamtmanagement wenig. Es handelt um Höchstrisikopatienten, die eines maximalen Risikomanagements bedürfen, unabhängig davon, ob eine subklinische PAVK vorliegt oder nicht. Sehr wohl erwägen kann man den Einsatz des ABI bei Patienten mit Diabetes in der Primärprävention, weil ein pathologischer Wert in diesem Szenario ein überzeugendes Argument für ein strafferes Lipidziel ist.

Gliptine als Add-on

Alle derzeit verfügbaren Gliptine sind als Add-on zur Initialtherapie zugelassen. Der ideale Zeitpunkt für den Einsatz eines Gliptins ist möglichst früh im Krankheitsverlauf. Darum sind Studien geplant, die den Nutzen einer initialen Kombinationstherapie (Metformin plus Gliptin) untersuchen werden. Linagliptin, dem von der FDA kürzlich die Zulassung in den USA erteilt wurde und das auch in Europa bald auf dem Markt sein wird, hat den Vorteil, dass es bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung eingesetzt werden kann.

Interessante Daten gibt es auch zu Sitagliptin: Die Gabe dieses Gliptins führte bei Typ-2-Diabetikern zu einer Besserung des HbA1c-Werts, obwohl bei den untersuchten Patienten die Insulinsekretion bereits nachweislich versiegt war. Der günstige Effekt muss somit über andere Mechanismen als über die insulinotrope Wirkung erfolgen. Auch Vildagliptin lässt mit spannenden Studienergebnissen aufhorchen. Bei insulintherapierten Typ-2-Diabetikern ließ sich durch die zusätzliche Gabe des Gliptins nicht nur das HbA1c bessern, sondern überraschenderweise auch die Häufigkeit von Hypoglykämien reduzieren. In einer ähnlichen Studie mit Sitagliptin zeigte sich kein solcher Effekt.

DM und Führerschein

Bezüglich der Ausstellung und des Entzugs des Führerscheins bei Diabetikern mit Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit ist mit Änderungen zu rechnen. Es wurde ein neuer Gesetzesentwurf beim Ministerium eingereicht. Diesem zufolge wird Diabetikern, die innerhalb von zwölf Monaten zwei schwere Hypoglykämien erlitten haben (Fremdhilfe), künftig die Lenkerberechtigung weder erteilt noch belassen werden dürfen. Das Gleiche wird für Diabetiker mit nachgewiesenen Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen gelten.

Nephropathie bei DM

Eine Schädigung der Nierenfunktion bei Diabetikern ist häufig. Doch: Nicht jede Nephropathie ist tatsächlich diabetischen Ursprungs.

Univ.-Prof. Dr. Erich Pohanka, AKH Linz, empfiehlt, besonders unter folgenden Umständen an andere Ursachen zu denken:

  • wenn eine Proteinurie bereits nach kurzer Diabetesdauer aufgetreten ist (< 5 Jahre),
  • bei rascher Progredienz; die diabetische Nephropathie schreitet üblicherweise langsam fort,
  • bei aktivem Harnsediment (Zylinder und Akanthozyten),
  • bei DMT1, wenn nicht gleichzeitig eine Retinopathie oder Neuropathie vorliegt,
  • bei Hinweisen auf andere Systemerkrankungen,
  • bei raschem GFR-Abfall nach ACE-Hemmer.

Als neue Medikamente werden neben weiteren Gliptinen (z.B. Alogliptin) langwirksames Exenatide sowie ein ultralangwirksames Insulinanalogon (Insulin deglutec; Wirkdauer 48 Stunden) erwartet. Schon in näherer Zukunft könnten Hemmer des Natrium-Glukosetransporters (SGLT2) verfügbar sein. Sie bewirken eine Glukosurie und senken damit den Blutzucker.

In Entwicklung sind laut Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik, AKH Wien, folgende Substanzklassen:

  • CB1-Rezeptor-Antagonisten:
    Sie wirken ähnlich wie das vom Markt genommene Rimonabant, modulieren das Hungerund Sättigungsgefühl und reduzieren so die Energieaufnahme.
  • Glukokinase-Aktivatoren, Glukagon-Rezeptorantagonisten und zytosolische PEPCK-Inhibitoren:
    Sie greifen in den Kohlenhydratstoffwechsel vor allem der Leber ein.
  • NF-kappa-B-Inhibitoren und IL-1-Rezeptorantagonisten:
    Sie reduzieren die gesteigerte Entzündungsaktivität und verbessern so die Glukoseutilisation.
  • SIRT1-Inhibitoren, selektive PPR-gamma-Modulatoren und 11-Beta-HSD1-Inhibitoren:
    Sie entfalten ihre Wirkung vor allem in der Skelettmuskulatur.

AMK

27. Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft; Linz, Mai 2011

Diabetes mellitus Typ 2
Bewegung als Medikament

LINZ – Egal, ob es um Sport, Training oder unbeschwerte Bewegungslust geht – jede Form der Aktivität, die mit einer Kontraktion der Skelettmuskelzellen einhergeht, hat direkten Einfluss auf den Blutzuckerstoffwechsel.

Foto: BilderBox.com

„Jede Art der Bewegung führt zu messbaren Veränderung der Struktur, der Zusammensetzung und Funktion quergestreifter Muskelzellen“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, AKH Wien, bei der Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. „Es reichen bereits kurze Bewegungseinheiten, um die Gesamtsituation des Patienten zu verbessern.“

Warum der Nutzen so rasch eintritt, liegt daran, dass die Muskelzelle auf jede Kontraktion sofort reagiert. Wichtigster Mechanismus dabei ist die Steigerung der Glukoseaufnahme in die Zelle. Der insulinabhängige Glukosetransporter GLUT-4 ist im Zytosol der Zelle lokalisiert. Sobald Insulin am Rezeptor andockt, wird GLUT-4 in Richtung Zellmembran transloziert, ein Vorgang der bei Typ-2-Diabetikern nachweislich gestört ist.

Durch vermehrte Muskelkontraktionen wird die GLUT-4-Translokation in Richtung Zellwand gefördert. Zudem wird die Synthese von GLUT-4-Molekülen gesteigert. Insgesamt wird dadurch die gestörte Glukoseaufnahme der insulinresistenten Muskelzelle verbessert. Doch nicht nur GLUT-4 unterliegt im Zuge einer sich entwickelnden Insulinresistenz pathologischen Veränderungen. Das Verhältnis der Zusammensetzung der verschiedenen Fasertypen (Typ-I- und Typ-II-Fasern) im Myozyten ändert sich ebenfalls.

Zudem kommt es zu einer quantitativen und qualitativen Veränderung der intrazellulären Lipide und zu einer Abnahme der Fähigkeit, Energie in Form von Glykogen abzuspeichern. „All diese Veränderungen lassen sich durch vermehrte Aktivität verbessern, mit direktem Einfluss auf den Gesamtstoffwechsel“, fasste Prof. Clodi zusammen. Das Beste dabei: Der Erfolg ist nicht unbedingt gekoppelt an eine Gewichtsabnahme. Sogar ohne Gewichtsverlust wird der Blutzucker absinken. Alle Register ziehen „Freilich ist es alles andere als leicht, bislang inaktive Patienten zu mehr Bewegung zu motivieren“, weiß Univ.-Prof. Dr. Thomas C. Wascher, 1. Medizinische Abteilung, Hanuschkrankenhaus Wien, aus jahrelanger Erfahrung zu berichten.

„Mitunter kann es hilfreich sein, nicht gleich von Sport oder Training zu sprechen. Oftmals gelingt eine Änderung des Bewegungsverhaltens leichter, wenn von einem einen aktiven Lebensstil oder gesundheitsfördernder Bewegung die Rede ist. Den besseren Einstieg findet man mitunter über Tätigkeiten wie Rasenmähen, Treppensteigen oder Spazierengehen. Wichtig ist vor allem, die Patienten dort abzuholen, wo sie sind. „Darum müssen wir zunächst einmal, das Ausgangsniveau erheben“, betonte Prof. Wascher.

Erst dann sei es sinnvoll, verschiedene Möglichkeiten der Aktivitätssteigerung anzubieten, mit dem Ziel, die individuell passende Form in Zusammenarbeit mit dem Patienten zu finden. Der Phantasie sind dabei kein Grenzen gesetzt. Es macht sich bezahlt, auf die Bedürfnisse, Wünsche, Vorstellungen und Lebensumstände der jeweiligen Personen einzugehen. Für viele Patienten gilt: Erst wenn es gelungen ist, das Ausmaß der Alltagsaktivitäten zu steigern, ist es sinnvoll, den nächsten Schritt zu machen: Sport und gezieltes Training.

In diesem Zusammenhang verwies Prof. Wascher auf eine aktuelle Arbeit, die zeigt, dass selbst Patienten, die erst nach dem 50. Lebensjahr körperlich richtig durchstarten, von sportlicher Betätigung enorm profitieren. Laut Ergebnissen der Studie ließ sich die Mortalität durch regelmäßige Bewegung um 50 Prozent reduzieren. Anders ausgedrückt: Zwischen Personen, die sich regelmäßig bewegen, und solchen, die inaktiv bleiben, besteht ein langfristiger Unterschied in der Lebenserwartung von sechs Jahren.

Eines der wichtigsten Motivationstools besteht laut Prof. Wascher darin, die Patienten aufzufordern, zusätzlich zum Blutzucker auch ihre Bewegungseinheiten zu dokumentieren. Sinnvoll sind auch Schrittzähler und Pulsuhren, Letztere allerdings nur für Patienten, die gezielt trainieren möchten. Sehr motivierend kann es sein, wenn man den Patienten empfiehlt, ihren Blutzucker nach der Bewegungseinheit zu messen. „Viele sind hochmotiviert, wenn sie feststellen, wie gut ihre Blutzuckerwerte nach körperlicher Betätigung sind.“

Das Beste, was überhaupt passieren kann, ist, dass ein Diabetiker plötzlich draufkommt, wie viel Freude und Spaß ein „bewegtes“ Leben bereiten kann. „Wenn Ihnen das gelingt, haben Sie allein damit einen großen Erfolg als begleitender Arzt erzielt“, so Prof. Wascher abschließend.

AMK

27. Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft;
Linz, Mai 2011

Typ-2-Diabetiker
Insulintherapie besser als ihr Ruf

LINZ – Wenn beim Typ-2-Diabetiker nach jahrelanger Krankheitsdauer die Insulinproduktion irgendwann versiegt, ist der Einsatz einer Insulintherapie unumgänglich.

Seit der Veröffentlichung der DCCT-Studie im Jahre 1993 gilt die funktionelle Insulintherapie als Goldstandard der Therapie bei Typ-1-Diabetes. Ähnliche Studien, die das Ausmaß diabetischer Spätschäden unter dem Einfluss verschiedener Insulinregime vergleichen, gibt es für das Kollektiv der Typ-2-Diabetiker leider nicht.

Foto: B. Krobath„Allerdings wissen wir seit der UKPDS, dass auch beim Typ-2-Diabetes eine verbesserte glykämische Kontrolle hilft, diabetische Spätkomplikationen, vor allem im mikrovaskulären Bereich, zu verhindern“, betonte Prim. Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner, Ärztliche Direktorin des LKH Hochzirl. Eine klare Indikation für eine Insulintherapie beim Typ-2-Diabetiker besteht bei Patienten mit symptomatischer Hyperglykämie und metabolischer Dekompensation.

Bei hohem HbA1c und langer Diabetesdauer ist es wahrscheinlich, dass die betroffenen Patienten nach Beseitigung des akuten Problems zur dauerhaften Stabilisierung des Stoffwechsels dann ständig Insulin brauchen. Generell ist eine Insulintherapie bei Typ-2-Diabetikern immer dann indiziert, wenn mit oralen Antidiabetika der angestrebte HbA1c-Wert nicht mehr erreicht wird.

Eine gute Einstiegsmöglichkeit bietet die Basalinsulin-unterstützte orale Therapie (BOT). Prof. Lechleitner: „Sie ist einfach und wirksam bezüglich Zielwerterreichung, bietet aber keinen Ansatz für die Kontrolle postprandialer Hyerglykämien. Sehr wohl möglich ist dies mittels einer konventionellen Insulintherapie. Hier gibt es eine Fülle von Einzelstudien und Metaanalysen, die einen Vorteil für Mischinsuline mit kurzwirksamen Insulinanaloga in Bezug auf das Hypoglykämierisiko zeigen.“

Nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommt bei Typ-2-Diabetikern das Basis-Bolus-Prinzip. Einen vielversprechenden Ansatz für einen breiteren Einsatz bietet hingegen die Kombination von Insulin mit Inkretintherapeutika. Prof. Lechleitner verwies auf eine Studie mit Insulin Detemir plus Metformin und Sitagliptin. „Es zeigte sich eine gute HbA1c-Kontrolle bei gleichzeitig geringer Gewichtszunahme und auffällig niedriger Hypoglykämierate.“

Hochinteressante Ergebnisse liefern auch zwei Studien, die die initiale Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes untersuchten. Prof. Lechleitner: „Neu manifestierten Typ-2-Diabetikern wurde über 24 Wochen Insulin verabreicht, was dazu führte, dass beim Follow-up nach einem Jahr über 60 Prozent der Patienten keinerlei antidiabetische Therapie benötigten, also in Remission waren.“

Probleme und Limitationen

Freilich ist die Insulintherapie beim Typ-2-Diabetiker nicht nur von Nutzen, sie bereitet vielen Ärzten und Patienten auch große Sorgen. Bezüglich der Debatte über die gesteigerte Tumorneigung verwies Prof. Lechleitner auf die Hyperinsulinämie als wichtigsten pathogenetischen Faktor. Diese könne bei stark übergewichtigen Patienten mit ausgeprägter Insulinresistenz aber auch endogenen Ursprungs sein. Ebenfalls Probleme bereitet der zuletzt sehr rege diskutierte Zusammenhang zwischen Insulin, Hypoglykämien und kardiovasulären Ereignissen.

Dazu präsentierte Univ.-Doz. Dr. Christoph Säly, Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch, interessante Studienergebnisse. Sie zeigen, dass es zwar eine Assoziation zwischen Insulin und einer erhöhten kardiovaskulären Ereignisrate gibt. Allerdings handelt es sich dabei um keinen kausalen Zusammenhang. Doz. Säly: „Es ist nicht das Insulin per se, das die Ereignisrate steigert, es ist vielmehr der Umstand, dass insulinisierte Patienten einfach kränker sind. Sie haben eine längere Diabetesdauer, haben höhere HbA1c-Werte, und sie weisen öfter schwere Formen einer koronaren Herzkrankheit auf.

Dass in einem solchen Kollektiv mehr Ereignisse und mehr Todesfälle auftreten, ist nur logisch. Eine Evidenz, dass Insulin an sich die Ereignisrate steigert, gibt es bisher aber nicht.“ Zum Abschluss erinnerte Prof. Lechleitner daran, woran zu denken sei, wenn eine Insulintherapie nicht funktioniert. „Meist sind es ganz einfache Dinge, auf die vergessen wird: das Wechseln der Nadel, das Schwenken des Pens oder der Wechsel des Injektionsbereichs im Falle des Vorliegens einer Necrobiosis lipoidica. Solche Fehler können vermieden werden, wenn die Patienten nicht nur geschult, sondern auch nachgeschult und kontinuierlich betreut werden.“

AMK

27. Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft;
Linz, Mai 2011

Gemeinsame Entscheidung von Kardiologe & Chirurg
Stent oder Bypass bei Diabetikern?

MAINZ – Medikamentenfreisetzende Stents sind auch für Diabetiker eine sichere Therapieoption – aber nicht bei jedem Befund. In manchen Fällen ist der Bypass die bessere Wahl.

Vor wenigen Jahren sorgte eine Studie für heftige Unruhe: Sie hatte den Verdacht geweckt, dass die Mortalität von Diabetikern erhöht ist, wenn ihre Koronarläsionen mit beschichteten Stents statt mit reinen Metallstents versorgt werden. Mittlerweile ist man schlauer. In einer großen Studie wurden Sicherheit und Effizienz der beiden Therapieoptionen im Langzeitverlauf geprüft.

Dabei stützte man sich auf das schwedische Koronarangiographie- und Angioplastie-Register, in das alle konsekutiven Patienten mit Diabetes, die in den Jahren 2003 bis 2006 eine Koronarintervention bekamen, aufgenommen wurden, berichtete Prof. Dr. Nikolaus Marx von der Medizinischen Klinik I der RWTH Aachen auf dem 6. Diabetologie-Update-Seminar. Im Mittel 2,5 Jahre lang beobachtete man 4754 Patienten, die mindestens einen beschichteten Koronarstent erhalten hatten, und verglich ihr Outcome mit dem der 4956 Diabetiker, die mit mindestens einem reinen Metallstent versorgt worden waren.

Was den primären Endpunkt – Tod und Myokardinfarkt – anging, zeigte sich zwischen den Therapiegruppen kein Unterschied. Es gab jedoch einen deutlichen Vorteil der beschichteten Stents in Bezug auf die Restenoserate. Sie lag um 50 Prozent niedriger! Der größte Benefit war bei kleinen Gefäßen mit einem Durchmesser unter 3 mm und bei einer Stentstrecke von mehr als 2 cm zu erkennen. Zwar handelt es sich bei der Studie um eine retrospektive Registeranalyse, dennoch darf man aus ihr guten Gewissens ableiten, dass medikamentenbeschichtete Stents bei Diabetikern effektiv und sicher sind.

„Das Schreckgespenst ist vom Tisch“, betonte Prof. Marx. Was bleibt, ist die Frage, welche Koronarläsionen gestentet und welche besser operiert werden sollten. In der SYNTAX1-Studie erhielten 1800 KHK-Patienten mit Hauptstamm- und/oder Dreigefäßerkrankung randomisiert entweder einen paclitaxelfreisetzenden Stent oder eine Bypass-Op. 452 Patienten waren Diabetiker. Das Follow-up nach einem Jahr ergab, dass im Gesamtkollektiv beide Therapieverfahren in Bezug auf den primären Endpunkt Tod, Schlaganfall und Myokardinfarkt gleichwertig waren. Die Ereignisraten lagen jeweils bei rund zehn Prozent.

Schwierige Verhältnisse: Bypass überlegen

Betrachtete man ausschließlich die Gruppe der Diabetiker, konnte man dagegen Unterschiede erkennen. Hier kam der Komplexität der Koronarbefunde erhebliche Bedeutung zu, berichtete Prof. Marx. Bei schwierigeren Koronarverhältnissen bzw. höherem Score war der Bypass der Koronarintervention klar überlegen. Es galt: Je komplexer der Befund, desto häufiger wurde mit der interventionellen Therapie der primäre Studienendpunkt erreicht. Beim sekundären Endpunkt Reinterventionsrate war die Stenteinlage mit elf Prozent deutlich schlechter als die Bypass-Operation (knapp sechs Prozent).

Patienten mit Diabetes und niedrigen angiographischen Scores (SYNTAX-Score2) können bei koronarer Dreigefäßerkrankung sicher mit einem beschichteten Stent versorgt werden, fasste Prof. Marx zusammen. Bei ausgedehnten Koronarbefunden und hohem Score sollten sie dagegen eine Bypass-Operation erhalten. Welches Verfahren für den Patienten letztlich das geeignetste ist, wird am besten vom Kardiologen und Kardiochirurgen gemeinsam entschieden, so die Erfahrung des Aachener Kollegen.

Md

1 SYNergy between percutaneous intervention with TAXus and cardiac surgery
2 www.syntaxscore.com

Millimol pro Mol statt Prozent
Neuer HbA1c-Standard beim Diabetes

LINZ – Das glykierte Hämoglobin im Blut ist der aussagekräftigste Messwert für die qualitative Einschätzung der Blutzuckereinstellung eines diabetischen Patienten. Um international eine bessere Vergleichbarkeit der Werte zu ermöglichen, wurde mit Beginn dieses Jahres eine neue, einheitliche Referenzmethode für die HbA1c-Messung eingeführt.

Das HbA1c ist seit vier Jahrzehnten im Einsatz und liefert wertvolle Einblicke in die Glukosespiegel der vergangenen acht bis zwölf Wochen. Laut National Glucose Standardisation Program (NGSP) wurde dieser Wert bislang in Prozent angegeben, entsprechend dem Anteil des glykierten Hämoglobins am Gesamt-Hämoglobin.

So unverzichtbar die HbA1c-Bestimmung für die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus ist, so sehr haben sich vermehrt auch Nachteile der Methode gezeigt. „Zum einen beinhaltet der Wert, wie er bislang ermittelt wurde, neben der Diabetes-relevanten glykierten Hämoglobinkomponente auch andere Fraktionen, deren Konzentration nicht mit den Glukosespiegeln in Zusammenhang stehen“, erklärte Prim. Univ.-Doz. Dr. Bernhard Föger, Leiter der Abteilung für Innere Medizin, LKH Bregenz. „Zum anderen gibt es über dreißig verschiedene Assays mit unterschiedlichen Normund Referenzwerten, sodass die Werte international nicht gut miteinander vergleichbar sind.“

1995 gründete daher die International Federation of Clinical Chemistry (IFCC) eine Arbeitsgruppe zur weltweiten Standardisierung der HbA1c-Messung. Ziel der Arbeitsgruppe war es, einen internationalen Standard mit höherer Zuverlässigkeit als die bisherige Standardisierung (DCCT/NGSP) zu entwickeln und so eine noch höhere Wertigkeit der Messergebnisse für die Therapie und Diagnostik als bisher zu erreichen.

Entsprechend diesem Ziel wurden Referenzmaterial und Referenzmethode einheitlich definiert, wobei nach der neuen Methode nur mehr jene glykierten Hämoglobin-Fraktionen erfasst werden, die für den Diabetes relevant sind. Da die so ermittelten Werte um 1,5 bis zwei Prozent niedriger liegen als entsprechende bisherige Werte, war es nötig, auf eine neue Messeinheit zu wechseln: von Prozent auf die zehnfach höhere Angabe in Millimol pro Mol.

„Auf Grund der deutlich unterschiedlichen Dimension soll gleich auf den ersten Blick klar sein, dass es sich um einen neuen Messwert nach IFCC handeln muss“, betonte Prim. Föger. „Verwechslungen und Verwirrungen können so weitgehend verhindert werden.“ Als Beispiel brachte Prim. Föger einen HbA1c-Wert von 7 %. „Dies entspricht einem IFFC-Wert von 54 mmol/mol. Umgerechnet auf Prozent ergäbe das einen IFCCWert von 5,3 %. Insgesamt wird es eine wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre werden, die „neuen“ HbA1c-Werte so im klinischen Alltag zu etablieren, dass jeder weiß, was genau mit welchem Wert gemeint ist.“

Der neue Referenzstandard ist seit Beginn dieses Jahres gültig und verpflichtet Laboratorien, Kliniken und niedergelassene Praxen, die Werte für das glykierte Hämoglobin in der neuen Messeinheit anzugeben. Zurzeit – und das wird auch noch länger so sein – sollte auf den Laborbefunden zusätzlich zum „alten“ NGSP-Wert in Prozent auch der neue IFCC-Werte in mmol/mol angegeben werden. Für die meisten Geräte bzw. Laborinformationssysteme ist die Angabe beider Werte durch Anwendung einer Umrechnungsgleichung kein Problem.

Für die Zukunft geplant ist eine Umrechnung der neuen HbA1c-Werte auf die durchschnittlichen Blutzuckerspiegel. Dieser Schritt sollte laut Doz. Fögers Ansicht aber erst dann erfolgen, wenn sich die neuen HbA1c-Werte im praktischen Alltag gut etabliert haben.

AMK

„Diabetes Forum: Diagnostik“ anlässlich der 27. Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft; Linz, Mai 2011

Diabetischer Fuß
Zu viele unnötige Amputationen

WIEN – Ist ein ulkuszerstörter Fuß, bei dem schon das Wadenbein herausragt, eine zwingende Indikation für eine Amputation? Nein, meinen die Experten der Österreichischen Gesellschaft für Wundbehandlung. Dank neuer gefäßchirurgischer Techniken gibt es selbst für schlimmste diabetische Beine noch Hoffnung. Leider sind aber weder Patienten noch Ärzte ausreichend über diese Behandlungsinnovationen informiert. Mit dem tragischen Effekt, dass hierzulande viele unnötige Amputationen durchgeführt werden.

Laut Daten der Statistik Austria gehen etwa 60 Prozent aller Majoramputationen auf das Konto des Diabetischen-Fuß-Syndroms. Insgesamt hat die Zahl solcher Eingriffe in den letzten Jahren um mehr als zehn Prozent zugenommen. Doch viele dieser Amputationen werden unnötig gemacht, meinen unisono die Experten der Österreichischen Gesellschaft für Wundheilung.

„Ein schlecht heilender Ulkus ist keine Indikation für eine Amputation. Andererseits kann eine Amputation mit gut durchgeführter Reha die Lebensqualität solcher Patienten verbessern. Vor dem Dilemma dieser Entscheidung stehen wir jeden Tag“, so Univ.-Prof. Dr. Gerald Zöch, Plastischer Chirurg am Donauspital. Der Experte führt freilich im selben Atemzug an, was gegen eine Amputation spricht: die perioperative Letalität liegt bei bis zu 36 Prozent, 40 Prozent der Patienten sind nach dem Eingriff auf fremde Hilfe angewiesen, zwei Drittel können nicht mehr nach Hause entlassen werden, und 75 Prozent aller Patienten sind nach 6,5 Jahren tot.

Wobei Letzteres durch Vorbelastungen wie Hypertonie und Metabolisches Syndrom verursacht wird: „Für Krücken braucht man 100 Prozent mehr Körperenergie. Die haben solche Patienten nicht mehr, und es versagt das Herz.“

Orthopädie zu selten einbezogen

Was die erwähnte Verbesserung der Lebensqualität durch eine Majoramputation betrifft, so sei diese relativ, merkt Univ.-Prof. Dr. Hans-Jörg Trnka vom Fußzentrum Wien an. „Es gibt vielerlei Probleme, die man sich nicht vorstellen kann. Ich kenne Patienten, die in der Nacht mehrmals auf den Knien zum Klo rutschen.“

Der Orthopäde beklagt, dass seine Fachdisziplin in der Bertreuung diabetischer Patienten nicht nur viel zu selten, sondern vor allem auch viel zu spät hinzugezogen wird. „In vielen so genannte Fußambulanzen gibt es keinen Orthopäden, sondern vorwiegend Internisten und Dermatologen. Kompetenz in der orthopädischen Problemstellung darf dann auch nicht erwartet werden.“ Das könne ins Augen gehen, moniert der Experte, wenn beispielsweise eine Charcot-Fuß vom Internisten als Erysipel und vom Dermatologen als Thrombose verkannt und falsch behandelt wird.

95 Prozent der Charcot-Patienten sind Diabetiker und brauchen eine fußgerechte Entlastung. Was den ulzerierenden diabetischen Fuß betrifft, ist Prof. Trnka überzeugt: „Es gibt immer Möglichkeiten. Das Wichtigste ist, die Knochen ins Lot zu bringen und den Fuß großzügig zu rekonstruieren. Der Patient kann nur gewinnen, denn alles ist besser als eine Amputation!“

Fortschritte der Gefäßchirurgie

Dieser Ansicht ist auch Prim. Dr. Afshin Assadian, Vorstand der Gefäßchirurgie am Wilhelminenspital. „Die Gefäßchirurgie hat sich enorm weiterentwickelt, und neue Techniken ermöglichen Erfolge, die es früher nie gegeben hätte. Doch leider wissen weder Patienten noch ärztliche Kollegen um die Möglichkeiten unseres Fachs.“ Ein Drama sei, dass – laut internationaler Daten – überhaupt nur 40 Prozent der Diabetiker einem Gefäßchirurgen vorgestellt werden, ein etwa gleicher Prozentsatz werde ohne Abklärung einfach amputiert.

Das eigentliche Problem ortet der Chirurg aber in der völlig fehlenden Awareness der Gesellschaft für den in der Zukunft drohenden „Diabetes-Supergau“. Der wesentlich frühere Beginn der Erkrankungen und die steigende Lebenserwartung lassen die Zahl der Problempatienten steigen. Die Prävention müsse schon bei der Ernährung der Kinder beginnen, ist Prim. Assadian überzeugt. Eine Ansicht, welche die beiden anderen Experten voll teilen. Gemeinsamer Forderungskatalog: mehr spezielle Wundund Fußzentren, mehr Gefäßspezialisten, Awareness-Kampagnen und endlich die Etablierung eines Amputationsregisters.

Dr. Silvana Schwitzer

Krafttraining mindert Fett, RR & HbA1c
Metaboliker an die Hanteln!

MAINZ – Durch moderates Krafttraining lassen sich Fettmasse, Blutdruck und HbA1c senken.

In einer Analyse von 13 randomisierten und kontrollierten Studien gingen österreichische Sportmediziner dem Effekt von Krafttraining und Muskelaufbau auf Adipositas-assoziierte Störungen des Glukosestoffwechsels nach. Es zeigte sich, dass Krafttraining den HbA1c-Wert im Mittel um 0,48 % reduzieren konnte.

Die Fettmasse sank unter der regelmäßigen Aktivität um 2,33 kg, der systolische Blutdruck um 6,19 mmHg. Keine statistisch signifikanten Effekte waren bei Gesamt-, HDL- und LDL-Cholesterin sowie dem diastolischen Blutdruck zu erkennen, erklärte Prof. Dr. Andreas Hamann von der Diabetes-Klinik Bad Nauheim auf dem 6. Diabetologie-Update-Seminar. Nach Ausschluss von Kontraindikationen könne man die „gewichtige“ Variante des Bewegungstrainings adipösen Patienten und Typ-2-Diabetikern durchaus empfehlen.

Md

© MMA, Medical Tribune • 43. Jahrgang • Nr. 20/2011