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20. August 2011
Medical Tribune Medizin Medien Austria
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Praxis-Tipp: Künstlicher Darmausgang
Patient soll sich selbst versorgen können

GRAZ – Wenn im Rahmen einer schweren Darmerkrankung die Anlage eines künstlichen Darmausgangs erforderlich wird, stellt das für die Betroffenen meist eine erhebliche psychische Belastung dar. Erst langsam lernen sie, dass ein gut angelegtes und versorgtes Stoma zwar einige Veränderungen im Alltag mit sich bringt, es in den meisten Fällen aber dennoch möglich ist, das gewohnte Leben ohne wesentliche Einschränkungen weiterzuführen.

Wichtigste Voraussetzung für eine optimale Stomaversorgung und die Vermeidung von Komplikationen ist eine gute Lage des künstlichen Darmausgangs. Vorgabe ist ein Sitz im Musculus rectus abdominis, fern von vorspringenden Knochen, Falten, Narben und dem Nabel. Das Stoma sollte möglichst in einer glatten Fläche von 10 x 10 cm liegen und für den Patienten gut einsehbar sein – eine Forderung, die bei einem durchschnittlichen Homo austriacus mit respektabler Waist-to-Hip-Ratio nicht immer leicht zu erfüllen ist.

Patienten gut aufklären
Dauerhafte Stomata sind prinzipiell endständig. Soll ein distaler Darmabschnitt nur vorübergehend entlastet werden, wird das Stoma in der Regel doppelläufig angelegt. Dabei wird eine Darmschlinge über das Hautniveau gezogen, an der Vorderseite eröffnet und mittels Nähten und Reiter an der Bauchdecke fixiert, sodass zwei Öffnungen entstehen, die nach der vorgesehenen Schonzeit für den Darm wieder geschlossen werden. Um eine Beunruhigung des Patienten zu vermeiden, sollte nicht vergessen werden, ihn darüber zu informieren, dass bei allen Stomata mit erhaltenem Schließmuskel trotz des künstlichen Ausgangs weiterhin anale Schleimabgänge aus dem stillgelegten Darmabschnitt möglich sind.

Ileo- oder Kolostomien
Lage und Anlage des Stomas richten sich nach dem ausgeleiteten Darmabschnitt (siehe Artikel unten). Ileostomien werden im rechten Unter- oder Mittelbauch angelegt. Da der Dünndarm nur eine beschränkte Fähigkeit zur Resorption von Wasser besitzt, ist der Stuhl flüssig-breiig und sehr aggressiv.
Bei durchschnittlich vier bis sechs Entleerungen pro Tag werden insgesamt rund 500 bis 700 ml ausgeschieden. Um ein gutes Abfließen des Stuhls in den Beutel zu ermöglichen und Hautirritationen zu vermeiden, sollte das Ileostoma 1,5 bis 2 cm über das Hautniveau hinaus stehen. Kolostomien werden im linken Unter- und Mittelbauch angelegt und sollten eine Prominenz von 3 bis 5 mm aufweisen. Der weniger aggressive Stuhl ist hier bereits auf etwa 250 ml eingedickt, seine Konsistenz breiig bis fest geformt. Es ist mit ein bis drei Ausscheidungen pro Tag zu rechnen. Bei Patienten, die bereits vor der Operation obstipiert waren, ist es auch nicht beunruhigend, wenn es nur alle zwei Tage zum Stuhlgang kommt.

Eigene Stomatherapeuten
Die Betreuung der Stomaträger wurde in den letzten Jahren durch eigens ausgebildete Stomatherapeuten immer weiter verbessert. Ziel müsse es aber bleiben, dass der Patient seinen künstlichen Darmausgang selbst versorgen kann, betonte DGKS Karin Meyer, Fachschwester für Kontinenz- und Stomaberatung. Da Stomata sich postoperativ verkleinern, ist es vor allem in den ersten Tagen und Wochen wichtig, immer wieder die Schablonengröße zu kontrollieren. Zwischen Hautschutzplatte und Stoma sollten ungefähr 1 bis 2 mm Platz sein. „Ist der Abstand zu groß, steigt die Gefahr von Hautirritationen“, warnte die Stomaexpertin. „Wird die Platte zu knapp ausgeschnitten, kann die Schleimhaut verletzt werden.“
Nicht nur der Umgang mit den unterschiedlichen Stoma-Produkten will gelernt sein, sondern auch die Pflege des Darmausgangs. „Der Darm ist an Stuhl gewöhnt und muss daher nicht besonders gereinigt werden“, so DGKS Meyer. „Zu starke Berührung und Manipulation der schmerzunempfindlichen Schleimhaut führt nur zu Blutungen und vermehrter Stuhlproduktion.“
Auch die umliegende Haut sollte nicht mit aggressiven Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln behandelt werden. Wasser und eine pH-neutrale Seife sind für die Säuberung ausreichend. Nichts verloren haben im Stomabereich auch Salben, Öle oder Ölbäder, die nur dazu führen dass die Versorgung schlechter auf der Haut haftet.

Internationales Symposium für Ernährung, Stoma, Wunde ESW 2006, Mai 2006

Schutzstoma: Der Trend geht in Österreich zur Ileostomie

GRAZ – Manchmal ist es vorteilhaft, einen Darmabschnitt für einen gewissen Zeitraum zu entlasten, indem man den Stuhl proximal der Problemstelle ableitet. Die wichtigsten Indikationen für das Anlegen von protektiven Stomata sind tiefe Anastomosen bei Rektumkarzinomen, entzündliche Darmerkrankungen, Endometriose-Operationen oder Traumata. Ob der Schutz besser durch eine Ileo- oder Kolostomie erreicht werden kann, wird kontrovers diskutiert.

zu schonen, zeigt das Rektumkarzinom: „Aus der Literatur wissen wir, dass bis zu 30 % der Anastomosen Insuffizienzen mit entsprechend hoher Letalität aufweisen“, berichtete Oberarzt Dr. Johann Hebenstreit, Barmherzige Brüder Graz. Damit ein Schutzstoma Sinn macht, muss das Risiko durch mögliche Komplikationen des Stomas und der Rückoperation natürlich geringer sein als das Risiko durch die Komplikationen einer Anastomoseninsuffizienz.
Mit einem protektiven Stoma kann man Anastomoseninsuffizienzen zwar nicht verhindern, aber ihre Folgen mildern, sodass Re-Eingriffe seltener notwendig sind. Ein Anastomosenschutz mittels Stoma sollte vor allem bei Patienten überlegt werden, die alt oder in einem schlechten Allgemeinzustand sind und einen zusätzlichen Eingriff auf Grund einer Komplikation vielleicht nicht überleben würden. Man nimmt also eine höhere Morbidität in Kauf, um eine niedrige Mortalität zu erreichen.

Hautproblem, Hernien & Prolaps
Häufigste Komplikation der Schutzstomata sind Hautprobleme (peristomale Dermatitis). Schwerwiegender sind Hernien und Prolapse, deren Häufigkeit mit der Dauer des Stomas zunimmt. „Eine vor zwei Jahren veröffentlichte Metaanalyse ergab, dass beim Kolostoma insgesamt mehr stomaassoziierte Komplikationen zu finden sind“, fasste Univ.-Prof. Dr. Herwig Cerwenka, Universitätsklinik für Chirurgie, Graz, den derzeitigen Stand des Wissens zusammen.
„So ist der Stomaprolaps bei der Kolostomie achtmal häufiger als bei der Ileostomie und die Rate von Wundinfektionen doppelt so hoch.“ Anders stellt sich die Situation nach der Rückoperation dar: Schwerwiegende Komplikationen, wie Darmverschlüsse und Obstruktionen, treten häufiger nach Ileostomien auf. Wie relativ all diese Zahlen jedoch sind, zeigt eine andere Studie, die Prof. Cerwenka zitierte: Patienten, die von einem professionellen Stoma-Team betreut wurden, hatten eine sechsmal niedrigere Rate an Stomakomplikationen.

Wann rückoperieren?
Auch wenn sich aus den Studien keine eindeutigen Vorteile für eine der beiden Operationsmethoden ablesen lassen, ist in Österreich in den letzten Jahren doch ein gewisser Trend zur Ileostomie erkennbar. Mit besserer Lebensqualität ist das nicht begründbar: In Quality-of-Life-Studien werden Schutzileo- und -kolostomie von den Patienten als gleichwertig beurteilt. Der Streifzug durch die Literatur zeigt, dass die Dauer des Anastomosenschutzes recht unterschiedlich gehandhabt wird. Dr. Hebenstreit rät, bei kompliziertem Verlauf und Risikopatienten mindestens drei Monate mit der Rückoperation zu warten. Treten Komplikationen (Hernie, Prolaps) auf, kann das Stoma jederzeit früher geschlossen werden. „Betrüblich ist, dass in 10 bis 15 % der Fälle keine Rückoperation eines als Schutzstoma geplanten Ausgangs stattfindet“, merkte Prof. Cerwenka an. Ursachen dafür ist meist die Scheu des Patienten vor einer erneuten Operation oder ein vom Chirurgen als zu hoch eingeschätztes Operationsrisiko.

Internationales Symposium für Ernährung, Stoma, Wunde ESW 2006, Mai 2006

 

© MMA, Medical Tribune 25/2006, HÖ