WIEN – Die moderne Medizin kommt nicht mehr ohne Genetik
und Molekulargenetik aus – egal ob in der Epidemiologie,
der Diagnostik oder der Therapie. Doch Hand aufs Herz, wie vertraut
sind Sie mit den Grundlagen der Genetik? Während des
Studiums war Genetik bestenfalls eine „Hilfswissenschaft“ und
Fortbildungsmöglichkeiten, die die Grundlagen, aber auch den
rasanten Fortschritt auf diesem Gebiet vermitteln, sind rar. Diese
Lücke möchte eine Kooperation zwischen Medical Tribune
und dem österreichischen Genomforschungsprogramm GEN-AU
ein wenig schließen. Frischen Sie ab dieser Ausgabe einmal im
Monat Ihr genetisches Wissen auf und lesen Sie Interessantes
aus einem der größten österreichischen Forschungsprogramme.
Fangen wir sicherheitshalber
ganz am Beginn an und gehen der
Frage nach, wo im menschlichen
Körper die Erbinformation sitzt
und wie diese aufgebaut ist.
Die
Desoxyribonukleinsäure wurde bereits
1944 von Oswald Th. Avery als
Erbsubstanz identifiziert, 1953 stellten
James D. Watson und Francis
H.C. Crick das Doppelhelix-Modell
der DNA vor: Zwei Stränge winden
sich um eine zentrale, virtuelle
Achse. Sie sind aus verschiedenen
Bausteinen, den Nukleotiden, aufgebaut.
Jedes Nukleotid besteht aus
einem Zucker – der Desoxyribose
– und einer Phosphatgruppe sowie
einer Base. Die ersten beiden bilden
den unveränderlichen Strang, die
Basen entsprechen den Stufen der
DNA-Wendeltreppe, sie sind die eigentlichen
Informationsträger.
Es gibt vier Basen: Adenin (A) und
Guanin (G), beide Purinbasen, sowie
Thymin (T) und Cytosin (C) – zwei
Pyrimidinbasen.
Jeweils zwei Basen
verbinden sich über Wasserstoffbrückenbindungen,
wobei Adenin nur
mit Thymin und Guanin nur mit
Cytosin eine Verbindung eingehen
kann. Die Guanin-Cytosin-Verbindung
ist stärker, da sie über drei Wasserstoffbrückenbindungen
erfolgt,
die Adenin-Tymin-Bindung nur
über zwei. Grundsätzlich sind Wasserstoffbrückenbindungen
nicht sehr
stabil und können durch Einwirkung
von höheren Temperaturen (um die
90 °C) „aufgeschmolzen“ werden.
Die beiden Stränge der Doppelhelix
weichen in diesem Fall auseinander
– man spricht von Denaturierung.
Der Prozess ist reversibel – wird die
Temperatur gesenkt, finden die zueinander
passenden Basenpaare wieder
zueinander – es kommt zur Renaturierung.
Wasserstoffbrücken können auch
chemisch, z.B. durch Laugen oder
sehr niedrige oder hohe Salzkonzentrationen,
aufgebrochen werden.
Die
Möglichkeit, DNA-Doppelstränge
auseinander zu bringen, ist eine zentrale
Voraussetzung für wichtige heute
verwendete molekularbiologische
Verfahren.
Die DNA enthält die Informationen
für alle biologisch wichtigen
Vorgänge. Diese sind festgelegt
im genetischen Code, wobei jeweils
drei Nukleotide ein Codon bilden.
RNA: Wichtige
Funktionen in der Zelle
Neben der DNA kommt in den
Zellen noch ein zweites Nukleinsäuremolekül
vor: die Ribonukleinsäure
RNA. Die RNA unterscheidet
sich von der DNA einerseits im
Zuckermolekül – bei der RNA handelt
es sich um Ribose – und andererseits
in einer Nukleinsäure – statt
Thymin enthält die RNA Uracil.
Wichtig für das richtige Funktionieren
der DNA und RNA ist, dass
diese Moleküle „gerichtet“ sind –
also eine fixe Orientierung haben.
Das ergibt sich dadurch, dass immer
das Kohlenstoffatom an der
Stelle 3 des Zuckers des ersten Nukleotids
über den Phosphatrest mit
dem Kohlenstoffatom an der 5. Position
des nächsten Zuckers verknüpft
ist. Dadurch liegt am Anfang
eines DNA-Moleküls immer
ein freies C5-Atom (5´-Ende) und
am Ende ein freies C3-Atom (3´-
Ende) vor. Die Einzelstränge der
DNA können sich nur in entgegengesetzter
Richtung zu einem Doppelstrang
anordnen – man spricht
von einem antiparallelen Verlauf.
Die klassische Form der DNA ist
die rechtsgängig gewundene B-Helix.
Der Durchmesser beträgt 2 nm,
die gegenüberliegenden Basenpaare
haben einen Abstand von 0,34 nm,
und die Ganghöhe beträgt zehn
Basenpaare. Neben dieser Form gibt
es noch die linksgängige Z-Helix
und die nur im dehydrierten Zustand
vorkommende A-Helix.
Wo steckt die menschliche DNA?
Die gesamte Erbinformation des Menschen liegt aufgeteilt
auf die 46 Chromosomen im Zellkern (Nukleus) jeder einzelnen
menschlichen Zelle vor. Die DNA einer menschlichen Zelle
wäre im gestreckten und aneinander gereihten Zustand zirka
zwei Meter lang.
Um in einer Zelle Platz zu finden, muss sie
in den Chromosomen stark verdichtet werden. Dazu ist sie auf
Trägerproteinen, den Histonen, eng aufgewickelt. Neben dem
Zellkern besitzen die Mitochondrien eine eigene DNA – die so
genannte mitochondriale DNA (mtDNA).
Dabei handelt es sich
um ringförmige DNA-Moleküle, auf denen sich 37 Gene befinden.
Die Vererbung der mtDNA erfolgt hauptsächlich über die
mütterliche Linie, da wahrscheinlich nur über die Eizelle Mitochondrien
und damit mtDNA weitergegen werden.
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SJ